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Das einsame Herz

Das einsame Herz

Titel: Das einsame Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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schüttelte den Kopf.
    »Hui!« Bendler pfiff durch die Zähne und reckte sich. »Hat man dir endlich doch den Ast, auf dem du sitzt, abgesägt? Ist aus dem Träumer endlich der Logiker geworden?«
    »Man kann schlecht sagen, was man fühlt.« Kummer steckte die bloßen Hände in die Manteltaschen. Er fror. »Ich weiß nur eins: ich lebe ohne Sinn!«
    »Bravo! Die Töne liebe ich! Auch wenn es falsche Töne sind, denn selbst der Unsinn hat noch einen gewissen Sinn. Das Leben aber ist nicht sinnlos – die Menschen, die mit dem Leben nichts anzufangen wissen, machen es zum Unsinn! In Wahrheit aber, das glaube mir, leben wir nach Gesetzen, die weder Kaiser noch Papst regieren können. Unser tiefstes und strengstes Gesetz ist die Natur. Das merkst du erst, wenn du wie ich mit dem Winde läufst.«
    Bendler schwieg. Auch Otto Heinrich gab keine Antwort. Plötzlich, nach einigen Minuten Schweigen, fragte er:
    »Wo ist deine Freischar, Bendler?«
    »In alle Richtungen zerblasen!« Der Riese hieb mit der Faust auf den Tisch. »Nach dem Affärchen mit der Vera aus Moskau hat man die Hunde auf uns gehetzt! Da sagte ich zu meinen Kerlen: Jungs, ab in die Wälder und hinein nach Böhmen! Sie werden jetzt wohl noch dort sein und auf mich warten. Aber ich wollte noch einmal mit dir sprechen, Heinrich, und sehen, ob du zu uns gehörst!«
    »Zu euch? Wie meinst du das?«
    »So, wie es klingt! Komm mit und sei frei wie die Lerche unter der Sonne.«
    Otto Heinrich zögerte einen Augenblick, ehe er antwortete.
    »Es geht nicht, Bendler«, sagte er. »Ich bin nicht feig – nein, denke das nicht von mir –, aber ich scheue das Blut! Ich mag nicht die Freiheit lieben mit der Pistole in der Faust, ich kann nicht morden, um zu leben …«
    »Morden?« Die Frage Bendlers war lang und gedehnt.
    »Ja, morden! Denn was ist euer Tun anderes als Mord? Niemand hat das Recht, des anderen Leben zu nehmen, weil er das Leben von einer anderen Warte sieht! Niemand, außer Gott, ist absoluter Herr über Sein oder Nichtsein – auch wenn es um mein Volk geht! Ihr aber maßt euch an, Richter zu sein über die Ungerechten in euren Augen! Eure Freiheit ist Blut der Unterdrückung. Nein, Bendler – das kann ich nicht, ich suche die Seele in den Menschen, die große, aufbauende Seele, nicht die Stelle, wo ein Stich oder Schuß tödlich ist!«
    Eine lange Zeit war Schweigen in dem dunklen Raum. Dann sagte der Riese langsam:
    »Ist das deine wirkliche Meinung, Heinrich?«
    »Ja, Bendler!«
    »Mein Gott!« Bendler sprang auf und packte Kummer an den Mantelaufschlägen, »du Träumer, siehst du denn nicht, was um dich her vorgeht? Die Fürsten verhuren das Geld des Volkes, sie bauen Schlösser und Residenzen, während den Armen die Hütten über den Köpfen verfaulen! Auf der Straße ziehen die Schlangen der Heimatlosen, die kräftigsten Männer fängt man vom Felde, zerrt sie aus dem Stall, reißt sie aus der Stube, wirft sie aus dem Bett und preßt sie in Uniformen, verleiht sie untereinander als Söldner, verkauft sie an fremde Staaten … jahrzehntelang … Sklavenhandel mit Weißen, Deutschen, mit unseren Brüdern! Mensch, Kummer, predige diesen Seelenhändlern Moral mit deinen Gedichten – sie stecken dich in eine Uniform, und einen Monat später bewunderst du in Marokko die Palmen! Die Seele im Menschen, der Geist der Erneuerung – daß ich nicht lache! Hier, die Faust ist eine Macht! Setze sie einem unter die Nase, ramme sie in einen feisten Spießermagen, und du wirst der ordnende Herr sein, der Herakles im Augias-Stall! Die Welt gehorcht nur dem Stärkeren, nicht dem, der sie süß besingt! Einen Dante belächelte man und machte ihn unsterblich – aber ein Machiavelli brauchte nur zu winken, und die Nacken krachten zu Boden und schrien Vivat und dreimal Hurra! Das Leben respektiert nur die Muskeln, nicht den Geist!«
    Otto Heinrich schüttelte den Kopf und befreite seinen Mantel sacht aus den Händen Bendlers.
    »Man kann die Welt auch anders sehen. Ein Aristoteles hat mehr geleistet als ein Alexander! Die Faust regiert den Augenblick, aber der Geist baut die Entwicklung!«
    »Es wird dir keiner dafür danken.«
    »Auch Sokrates trank seinen Schierlingsbecher – aber sein Geist des menschlichen Ideals wird ewig sein!«
    »Phantast!« Willi Bendler stapfte durch die enge Laube und lehnte sich dann an die feuchte Holzwand. »Du willst den realen Weg nicht sehen! Du steckst, auch wenn du's leugnest, zu fest im behäbigen Bürgertum!«
    »Nein,

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