Das elfte Gebot
darüber nachzudenken, als er die vierte Person sah, auf die Swartz deutete. Es war Vater Gordini.
„Guten Abend, Boyd. Scheint so, als müßte ich als Ihr Beschützer agieren, da ich mich dummerweise als Ihr Patron stark gemacht habe.“ Er grinste trocken und fächerte sich mit den Papieren, die er bei sich trug, Wind zu. Wahrscheinlich handelte es sich um eine Kopie von Boyds Anklageschrift.
Einen Augenblick fühlte Boyd Hoffnung in sich aufkeimen. Gordini war einer der einflußreichsten jüngeren Männer in der Kirche, sein Vater war Senator, einer seiner Onkel Kardinal, und wenn man den Gerüchten glauben durfte, dann war er selbst sowohl ehrgeizig als auch tolerant gegenüber Verletzungen des Kodexes. Doch bei näherem Hinsehen sank seine Hoffnung wieder. Der Mann amüsierte sich offensichtlich. Er erfreute sich an der Situation, so wie er sich damals über die Gelegenheit gefreut hatte, einen lebenden marsianischen Heiden studieren zu können, als sie sich zum erstenmal getroffen hatten, oder wie er sich amüsiert hatte, als er O’Neill übers Ohr gehauen hatte. Er mußte sich bloß deshalb als sein Patron ernannt haben, weil sich damit die Chance ergab, daß einmal etwas außerhalb des gewöhnlichen Trotts seiner normalerweise eher hedonistischen Freuden passieren könnte. Das paßte genau zu dem, was man über ihn sagte. Es war ihm egal, was vor sich ging, solange es nur außerhalb der Norm lag.
Er mußte ein wenig von Boyds Reaktion verstanden haben, denn sein Lächeln vertiefte sich. „Oh, Sie können natürlich um jemand anders nachsuchen. Aber ich bin sicher, Ihre Rechte werden nicht verletzt werden, solange ich hier bin. Es würde ziemlich … äh … schwierig werden, sie zu verletzen, nehme ich an.“
„Setzen Sie sich, Dr. Jensen“, sagte Swartz. Er maß Gordini mit einem ärgerlichen Blick, offensichtlich erzürnt über jeden Beweis von Vertrautheit. „Ihre Rechte werden nicht verletzt werden, seien Sie dessen versichert. Aber wenn Sie lieber einen anderen Protektor wollen, dann können Sie ruhig um eine Umbesetzung dieses Amtes nachsuchen, wie Vater Gordini schon andeutete.“
Boyd schüttelte den Kopf. Was würde es schon für einen Unterschied machen? Sie hatten zweifellos Beweise für das, was er getan hatte, und alles, das einem Gerichtsverfahren ähnelte, würde zwangsläufig zur Farce werden. Wie viele der Kapitalverbrechen war das, was er getan hatte, ein Verbrechen an der Kirche, was es außerhalb des Zivilrechts stellte, wo er vielleicht eine gewisse legale Hilfe hätte erwarten können. In diesem Fall war die Kirche Ankläger, Richter, Verteidiger und Exekutive. Er war überrascht, daß sie sich überhaupt die Mühe gemacht hatten, so etwas wie einen Advokaten des Teufels kommen zu lassen – oder welche Funktion man Gordini auch immer zugedacht haben mochte.
Swartz nickte. „Nun gut.“ Er musterte Boyd seufzend. „Ich furchte, die Anschuldigungen, die gegen Sie vorgebracht werden, sind ernst, mein Sohn. Ihre Position ist sehr schwierig. Und so, glaube ich, ist es auch mit der unseren, da wir nicht nur eine angemessene Strafe finden müssen, sondern uns auch noch bemühen müssen, Ihre unsterbliche Seele zu retten.“
„Machen Sie sich keine Sorgen“, antwortete Boyd. „Ich bin ein Heide – haben Sie das noch nicht gewußt?“
Wieder nickte Swartz. „Darin liegen ja gerade die Schwierigkeiten. Nichtsdestotrotz, wir müssen es versuchen. Sie haben Ihre Sünden begangen, obwohl Sie ausreichend Zeit hatten, den wahren Glauben anzunehmen und seine Botschaft zu akzeptieren. Sie riskieren ewige Verdammnis. Beichten Sie jetzt Ihre Sünden und bereuen Sie, noch können wir Sie retten!“
Dem Mann war es ernst, das sah Boyd sofort. Er dachte einen Augenblick darüber nach. Die Geschichten über die uralte Inquisition gingen ihm durch den Kopf, der Einsatz von Folter, um Glauben und Bereuen zu erzwingen. Wahrscheinlich war es viel einfacher für ihn, wenn er nachgab. Oder würden sie ihn dann foltern, um die Festigkeit seines neugewonnenen Glaubens zu überprüfen?
Zur Hölle mit ihnen allen! Er hatte bereits mehr Resultate ihrer irrsinnigen Regierung dieses verteufelten Planeten gesehen, als er ertragen konnte. Er hatte gesehen, was sie seinen Freunden angetan hatten. Buckel-Pete wurde langsam alt, doch es gab keine Altersversicherung für ihn. Harry hatte man die Arbeit verweigert, die seiner Begabung entsprochen hätte, und Harrys Schwester würde demnächst unweigerlich
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