Das elfte Gebot
sein. Und ein Priester namens Gordini.“
„O’Neill lächelt nach außen hin, aber inwendig ist er aus Stahl“, sagte Semper. „Aber Gordini? Priester dieses Namens gibt es nur einen – oder besser, er spielt einen einfachen Priester. Sie können nur den Sohn von Senator Gordini, zugleich Neffe des Kardinals, meinen. Glauben Sie, er wird Ihnen helfen?“
Boyd hatte seine Zweifel. Er hatte zwar etwas von Hilfe gesagt, aber genau erinnern konnte er sich nicht. Während er sich noch die genauen Worte ins Gedächtnis zurückzurufen versuchte, rasselte es an der Eingangstür, und herein kamen Wachen, die zu Sempers Zelle gingen.
„Der Bischof läßt Sie frei, Semper“, sagte einer von ihnen.
„Aber dies ist das letzte Mal. Kommen Sie, wir werden Sie in Ihr Viertel zurückeskortieren.“
Sie trieben ihn nach draußen und ließen Boyd erneut allein zurück. Auch die Häftlinge auf der anderen Seite hatten zu reden aufgehört und schienen zu schlafen. Boyd streckte sich ebenfalls auf seiner Pritsche aus und versuchte zu schlafen. Mehrere Stunden lag er dumpf brütend wach, bevor sich sein Geist zur Ruhe legte. Zu träumen blieb ihm jedoch versagt. Am Morgen war er hungrig genug, um das Essen zu verzehren. Danach gewann das Problem, die Zeit totzuschlagen, die größte Bedeutung. Eine einzige Stunde, in der es nichts zu tun gab und kein neuer Gedanke in seinem Kopf auftauchen wollte, kam ihm wie eine Ewigkeit vor. Fast so willkommen wie ein Besucher hieß er das Klappern der Tür und das ihm folgende geschäftige Treiben der Wachen, die zum Saubermachen gekommen waren.
Als sich aber das nächste Mal die Tür öffnete, hatte er wirklich einen Besucher.
„Hm, mein lieber Boyd“, sagte Gordini, „kann man nicht mal eben zu einer Beratung nach außerhalb reisen, ohne daß danach ein Römischer kommt und mich benachrichtigen muß, daß Sie in Schwierigkeiten stecken?“
„Sie meinen, Semper hat Ihnen Bescheid gegeben – und Sie sind dennoch gekommen?“ Boyd konnte sein Erstaunen über die Kombination dieser beiden Umstände nicht verbergen.
„Jemand gab mir Bescheid, und hier bin ich, wie man sieht.“ Sein vergnügt lächelndes Gesicht glich dem eines übergroßen pausbäckigen Cherubs. „Kann nicht schaden, dachte ich mir, von dem von Ihnen produzierten Zeug eine chemische Analyse machen zu lassen – um zu entdecken, daß es bloß gewöhnliches Kochsalz war. Diesen Scherz mit dem Mann an der Ausgabe hätten Sie sich sparen können. Schließlich nimmt ihn die Kontrolle der Arzneien und die Verantwortung für verbotene Chemikalien schon genug in Anspruch. Hier, ich habe Ihnen eine frische Robe mitgebracht.“
Nun zeigten sich die Wachen ehrerbietig. Sie überließen Boyd ein Zimmer, wo er sich umziehen und frischmachen konnte. Einmal allein gelassen, wurde Gordini ernst.
Boyds Dank tat er ab. „Nichts von Bedeutung. Ein Ausrutscher, den ich übersehen haben will. Sie sind ein Narr, aber ich bin es nicht minder, da ich für Sie gebürgt habe – obwohl es dem Anschein nach sich ausgezahlt hat. Nun gut. Jetzt wollen Sie bitte mitkommen. Ihnen steht noch ein strenges Verhör bevor.“
Dieses Wort weckte bei Boyd unliebsame Erinnerungen an Verhältnisse früherer Zeiten. Der Schreck stand ihm im Gesicht geschrieben, bei dessen Anblick Gordini plötzlich loslachte.
„Wir werden nur mit Willmark zu Mittag essen. Ich habe die Geschichte weitgehend geheimhalten können. Im Labor weiß niemand davon, so daß Sie dorthin zurückkehren können. Willmark aber hat davon Wind bekommen, und er steht mir an Neugier in nichts nach. Was, um alles in der Welt, hat Sie nur bewogen, das zu tun? Sie sind doch nicht so dumm, zu einem Zeitpunkt, da Sie Geld nicht mehr so nötig hatten, unerlaubte Drogen herzustellen. Für den Ärger, den ich mit Ihnen hatte, müssen Sie sich schon eine gute Geschichte einfallen lassen.“
Die Cafeteria verfügte über ein kleines privates Hinterzimmer, in dem Willmark auf sie wartete. Während sie aßen, mußte Boyd seine Geschichte erzählen. Gordini empfand sie größtenteils als komisch – besonders die Leichtigkeit, mit der Boyd die synthetische Herstellung eines Hormons gelungen war, bevor es dem Mann aus der Ausgabe einfiel, die bischöflichen Offiziale zu warnen. Willmark hingegen schien weniger amüsiert zu sein: Er sah den Vorfall als schwerwiegend an.
Gordini erhob sich vom Tisch. „Ha, dieser Morgen war wirklich unterhaltsam. O’Neill brauchte ohnehin einen
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