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Das elfte Gebot

Das elfte Gebot

Titel: Das elfte Gebot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lester del Rey
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wie ihr Bruder das genaue Gegenteil davon war. Nach den Maßstäben ihrer Zivilisation war sie zwar nicht abergläubisch, aber diese Maßstäbe waren ziemlich barbarisch. Dann war er wieder weniger sicher. Ihre Miene, sobald ein Priester vorbeikam, drückte keine Verehrung aus. Sie verriet Furcht und eine Art Widerwillen. Er erinnerte sich ihrer Warnungen während der gemeinsamen Arbeit bei Firculo, niemals Priestern zu vertrauen.
    Später, auf dem Heimweg mit ihr, versuchte er für ihr Verhalten eine Erklärung zu erhalten. Zu Anfang wollte sie nicht so recht mit der Sprache heraus.
    „Die Priester sind für uns Gottes Fürsprecher“, sagte sie schließlich. „Die Priesterweihe ist eine heilige Pflicht, und sie zu empfangen, muß wundervoll sein. Natürlich liebe ich Priester, wenn sie vorn am Altar stehen.“
    „Und wie ist es mit denjenigen, die keine Messe abhalten?“ stieß Boyd nach.
    Sie bekam schmale Lippen. „Lassen Sie mich in Frieden mit solchen Fragen, Boyd Jensen! Dazu bin ich nicht mitgegangen, obwohl ich weiß Gott stärkere Gründe hätte, diese Fragen zu stellen.“
    Das war deutlich genug, wie er zugeben mußte. Eine Weile ging er schweigend weiter neben ihr her und überdachte all das, was er bisher erlebt hatte. Die Summe seiner Gedanken lief darauf hinaus, ein Gefühl des Ekels gegenüber diesem ganzen heuchlerischen System, welches diesen unglaublich reichen Planeten verdarb, zu empfinden.
    „Sie gefallen sich darin, ständig von Barmherzigkeit und der Heiligkeit des Lebens zu reden“, sagte er. „Darin sind sie gut, und schön hört sich’s obendrein an. Andererseits läßt man einfach zehn Millionen Menschen ungerührt an einer schrecklichen Krankheit verrecken, die geheilt werden könnte. Unter den Lebensumständen, zu denen man sie zwingt, können diese Armen auch keine Kinder haben. Was also würde man verlieren, wenn man sie rettete?“
    „Ich will nicht wissen, wovon Sie reden“, wies sie ihn erneut zurecht.
    „Ich rede von Ihrer geheiligten Priesterschaft, angefangen von Bonaforte bis hinab zum gewöhnlichen Novizen. Zwar habe ich noch nicht viel gesehen, aber was ich gesehen habe, das reicht. Eine feine Welt! Eine Unmenge unverheirateter Priester sowie unverheirateter Mönche und Nonnen, die ihr Zölibat eine Tugend nennen. Im nächsten Satz jedoch reden sie vom elften Gebot. Männer und Frauen, die nicht ihrem erlesenen Kreis angehören und dennoch nicht fortwährend wie allzeit brünstige Tiere kopulieren, werden zu Sündern abgestempelt. Brunst und Fleischeslust, oder man verliert seine Seele. Das ist das Motto dieser Amerikanischen Katholischen Eklektischen Kirche. Für die Priester selbst jedoch gilt dies nicht. Sie wollen ihre Kinder nicht in dieser verderbten Unordnung bekommen, die sie selbst auf Erden anrichten!“
    „Nicht so laut, Boyd“, sprach sie leise. Sanft griff sie nach seiner Hand, um seinen schneller gewordenen Schritt zu verlangsamen. Dann seufzte sie unglücklich. „Ich verstehe nicht alles, wovon Sie reden. Vielleicht haben Sie aber recht. Ich weiß nur, daß die Priester Ungeheuer sind. Schreckliche Ungeheuer.“
    Überrascht blieb er stehen. Zustimmung von ihrer Seite war das Letzte, was er erwartet hätte. Ernst und in sich gekehrt sah sie ihn an.
    „Sie haben mir mein Baby weggenommen“, sagte sie so, als ob sie zu jemand anders spräche. „Sie kamen an, als es gerade drei Tage alt war – Vater Herlos von meiner Pfarrei mit zwei andern –, und nahmen mir mein Baby weg. Ich durfte es nicht wiedersehen. Man sperrte es in ein kirchliches Kinderheim, wo man mir sogar den Zutritt verwehrte. Ungeheuer sind sie – kinderstehlende Ungeheuer. Priester, Mönche und Nonnen zusammen.“
    Die Geschichte klang wenig plausibel. Die Nonnen- und Mönchsklöster mit ihrem ausreichenden Schutzangebot hatten es wohl kaum nötig, armen Leuten die Babys zu stehlen, um Nachwuchs zu rekrutieren. Das klang wie psychotischer Wahn, obwohl er, was sie betraf, bisher keinerlei Anzeichen einer Psychose bemerkt hatte. Für den Augenblick zog er es jedoch vor, ihrem Kummer nicht weiter auf den Grund zu gehen.
    „Bliebe als einzige Antwort übrig, ein Heide zu werden, wie ich es einer bin“, behauptete er so leichthin, wie es ihm möglich war.
    Daraufhin schüttelte sie heftig den Kopf. „Man darf sich nicht gegen unseren Herrn und Gott oder die Muttergottes wenden, einfach nur deswegen, weil die Leute, die ihnen dienen, verderbt sind. Ich liebe die Muttergottes

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