Das Ende - Alten, S: Ende
verschlossen hielt.
Der vierundvierzig Jahre alte Steven Mennella bewegte sich durch die Eigentumswohnung, als trüge er einen Anzug aus Blei. Steven war Sergeant beim NYPD und seine Frau Veronica eine Krankenschwester, die kürzlich eine Stelle im VA Hospital angetreten hatte.
Steven nahm eine Kerze vom Küchentisch und trug sie in das Elternschlafzimmer. Er stellte sie auf das Nachttischchen und zog seine Uniform aus, die er sorgfältig in den begehbaren Kleiderschrank hängte. Dann tastete er im dunklen Schrank herum, bis er ein frisch gebügeltes weißes Hemd fand, das er zusammen mit seinem grauen Lieblingsanzug vom Kleiderbügel nahm. Er zog sich rasch an und wählte die gemusterte Seidenkrawatte, die seine Tochter Susan ihm zu seinem letzten Geburtstag geschenkt hatte. Er band die Krawatte um, zog seinen Ledergürtel in die Schlaufen seiner Hose, schlüpfte in
die passenden Schuhe und warf einen raschen Blick in den Schrankspiegel.
Für einen kurzen Moment überlegte er, ob er das Bett machen sollte.
Dann verließ er das Schlafzimmer und ging zurück ins Wohnzimmer. Die Wohnung lag im dreizehnten Stock, zwanzig Meter über der dichten Schicht eines düsteren braunen Mahlstroms. Im Augenblick war der Nachthimmel über dem Balkon sternenklar und bot durch die Spiegelung der Scheibe den bizarren Anblick einer in der Luft schwebenden Stadt: Steven sah sich selbst in seinem Penthouse-Albtraum gefangen … allein.
Veronica lag auf der U-förmigen Ledercouch. Das bleiche Gesicht der Schwester aus dem Veterans Administration Hospital zeigte keine Schmerzen mehr. Ihre rot geränderten blauen Augen waren starr und glasig. Schon zuvor hatte Steven das Blut von den Lippen und der Kehle seiner Frau abgewischt und die erschreckende schwarze, tennisballgroße Schwellung an ihrem schlanken Hals mit einer Wolldecke verhüllt.
Er beugte sich vor und küsste die kalten Lippen seiner toten Gefährtin. »Ich habe den Brief für die Kinder vorbereitet … mit allen Anweisungen … genau, wie wir es besprochen haben. Warte auf mich, Liebling. Es dauert nur noch eine Minute.«
Steven Mennella blies die Kerzen aus. Er räusperte sich und trat durch die offene Glastüre hinaus auf den Balkon. Der Vollmond stand tief über dem Horizont und beleuchtete die dichte, schlammfarbene Wolkenbank, die in seinem Licht kreiste. Eisiger Wind blies Steven ins Gesicht, als er vorsichtig von seiner Lieblingschaiselongue auf das Aluminiumgeländer stieg – und einen Schritt über den Rand des Balkons hinaus machte.
Der Wind heulte in seinen Ohren, und Eiskristalle bildeten sich auf seinem Fleisch, als er unter der giftigen, von Menschen geschaffenen chemischen Wolke in die Tiefe stürzte …
Es gab keine Vorwarnung. Gerade noch wich Paolo einem Briefkasten aus – und im nächsten Augenblick wurde der Van von einem menschlichen Meteor getroffen.
Die Motorhaube wurde nach unten geschlagen, der Motorblock aus seinen Lagern gerissen, und beide Vorderreifen platzten. Paolo trat auf die Bremse, wodurch das beschädigte Fahrzeug seitlich ausscherte und gegen einen Laternenpfahl krachte. Frostschutzmittel spritzte aus dem demolierten Kühler und regnete auf die von spinnwebartigen Sprüngen durchzogene Windschutzscheibe herab, in der eine geborstene Wassermelone zu stecken schien.
Für einen kurzen Augenblick jaulte die Hupe auf, doch gleich darauf verklang das Geräusch wieder, sodass nur noch eine Art wimmerndes Keuchen der hyperventilierenden Insassen des Fahrzeugs zu hören war. Francesca tastete ihren weit vorgewölbten Bauch ab. »Verdammt, was war das denn?«
»Alle raus aus dem Wagen!« Shep trat die Beifahrertür auf, wodurch der giftige Dampf des Frostschutzmittels ins Wageninnere drang. Einen Moment lang starrte er die sterblichen Überreste von Sergeant Steven Mennella an, dessen Leiche sich mit nach oben gewandtem Gesicht in die Windschutzscheibe und die Motorhaube gedrückt hatte. Dann drehte er sich weg. »Wir müssen ein neues Auto finden.«
Ohne auf die anderen zu warten, folgte er der East 68 th Street, wobei er bis zu den Waden in einem eisigen
Fluss stand, als er die quer verlaufende Park Avenue erreicht hatte. Irgendwo muss eine Hauptleitung gebrochen sein. Vielleicht ein Hydrant?
Doch dann sah er eine Albtraumszenerie vor sich, und er betete, dass alleine der Impfstoff dafür verantwortlich war.
Es war, als sei die Park Avenue – ein sechsspuriger Boulevard – direkt aus dem Hades aufgestiegen. Hochhäuser, in
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