Das Ende - Alten, S: Ende
diente. Sie füllte den Löffel mit dem grauen Pulver. Klopfte den Überschuss ab. Gab den Löffel voll Pulver zu der klaren Flüssigkeit in dem Aerosolspender, verschloss dann das Reagenzglas und stellte es in ein freies Schaumstofffach. Setzte den Deckel des Aerosolspenders wieder auf und schüttelte die verschlossenen Zutaten ein Dutzend Mal leicht. Zufrieden befestigte sie den Spender auf dem Inhalationsgerät und legte den Apparat dann auf die Schaumstoffpolsterung.
Sie sah auf die Uhr: 8:59 Uhr.
Sie nahm den Umschlag, der den gefälschten Ausweis der Vereinten Nationen enthielt. Mary blickte auf ihr Foto, dem nun der Name Dr. Bogdana Petrowa, Russische Botschaft, zugewiesen war. Dr. Petrowa war eine Kollegin von ihr gewesen. Mary hatte sie vor sieben Jahren auf einer internationalen Tagung in Brüssel kennengelernt. Sechs Wochen später waren Bogdanas sterbliche Überreste in Moskau in einem Müllcontainer aufgetaucht. Man schob ihren Tod auf eine Internet-Verabredung, die übel ausgegangen sei.
Wir werden ihnen heimzahlen, was sie dir angetan haben, Dana. Was sie all unseren Kollegen angetan haben.
Sie streifte sich den an dem Ausweis befestigten Schnürsenkel über den Kopf, dann nahm sie das Inhalationsgerät in die Hand. Ihr Herz klopfte, ihre Hand zitterte. Das ist es, Mary, das ist es, warum du auserwählt wurdest. Dem Baby kann Scythe nichts anhaben, du hast die Plazenta bereits geimpft, aber es muss richtig inseminiert werden, um die Entrückung herbeizuführen.
Während sie im Innenspiegel auf die Puppe der Schnitterin mit ihrer roten Perücke starrte, rezitierte sie die neunte Passage aus dem neuntägigen Gebetszyklus für Santisima Muerte, die sie dem Novene-Büchlein entnommen hatte, das sie zwei Monate zuvor in Mexiko erhalten hatte. »Selige Beschützerin, Frau Tod: Kraft der Tugenden, die Gott Dir schenkte, bitte ich, dass Du mich von allem Übel, jeglicher Gefahr und Krankheit befreist und dass Du mir stattdessen Glück, Gesundheit, Zufriedenheit und Geld schenkst, dass Du mir Freunde und Freiheit von meinen Feinden schenkst, außerdem Jesus, den Vater meines Kindes, veranlasst, vor mir zu erscheinen, demütig wie ein Schaf, dass Du Seine Versprechen hältst und immer liebevoll und gehorsam bist. Amen.«
Sie presste sich das Inhalationsgerät auf Nase und Mund. Drückte den Auslöser und nahm einen tiefen Lungenzug von dem scharfen Elixier.
Nach vollbrachter Tat legte sie den Kopf in den Nacken. Ihr Herz schlug wild. Ihre Augenlider flatterten. Ihr Körper bebte vor Adrenalin.
Die innere Stimme, durch die Medikamente unterdrückt, mahnte sie nun zur Eile.
Sie stieg aus dem Wagen, schlug die Tür zu und verriegelte sie, bevor ihr der verräterische Diplomatenkoffer einfiel. Durch Anklicken der Funkfernbedienung
öffnete sie die Tür wieder und schnappte sich den Koffer, während sie auf der mit Schneematsch bedeckten Straße mit den Füßen stampfte, um bei den drei Grad Kälte ihre volle Blase unter Kontrolle zu halten.
Verzweifelt sah sie sich um. Dann sah sie den Müllcontainer. Sie warf den Diplomatenkoffer hinein und lief schnell weg. Der Koffer sprang auf, als er mit einem lauten Poltern im Innern des leeren Stahlbehälters landete.
Sie hastete aus der Gasse. Wandte sich nach links und lief auf der 46. Straße nach Osten.
Beulen-Mary beschleunigte ihre Schritte, während sich die ansteckende Kombination von Toxinen rasch in ihrem Blutkreislauf verteilte.
VA Medical Center
East Side, Manhattan, New York
9:03 Uhr
Leigh Nelson saß hinter ihrem Schreibtisch und nippte an der in der Mikrowelle heiß gemachten Tasse Kaffee. Donnerstagmorgen, keine Rügen. Sie hatte ihren Mantel anbehalten, die Kälte saß ihr noch in den Knochen von ihrem vier Blocks langen Fußmarsch. Draußen sind ein Grad minus, bei dem Wind gefühlte minus zwölf, und die müssen ausgerechnet heute mit den Bauarbeiten auf dem Mitarbeiterparkplatz anfangen.
Sie öffnete ihren Laptop, loggte sich ins Internet ein und überprüfte ihren Posteingang, wobei sie die offensichtlichen Spam-Mails fortlaufend löschte. Bei der Betreffzeile VERMISSTENANFRAGE stoppte sie und klickte auf die E-Mail.
Dr. Nelson,
vielen Dank für Ihre Anfrage bezüglich des Aufenthaltsortes von BEATRICE SHEPHERD, Alter 30 – 38, EIN KIND (weiblich), Alter 14 – 16. Die TOP 5 der Bundesstaaten, für die eine Suche erbeten wurde: NY. NJ. CT. MA. PA. Die folgenden Personen, auf welche die Beschreibung passt, wurden
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