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Das Ende der Liebe

Das Ende der Liebe

Titel: Das Ende der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Hillenkamp
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Epoche unendlicher Freiheit, unbegrenzter Möglichkeiten; in dem die Hauptfiguren des Buches vorgestellt werden, die freien Menschen; in dem die Freiheit als absolut bezeichnet wird, weil ihr nichts mehr entgegensteht, kein Zwang, keine Regel, keine Gewohnheit; in dem die Geschichte gedeutet wird als Entwicklung von der Einzahl zur Mehrzahl, von der Mehrzahl zur Unendlichkeit – und die Liebe als im Widerspruch zur Zeit; in dem der ewige Dreischritt der freien Menschen erklärt wird: Verlangen, Blockade, endlose Suche; in dem berichtet wird, dass die freien Menschen keine Gesellschaft mehr kennen, nur noch sich selbst; dass sie nicht mehr mit anderen kämpfen, nur noch mit sich selbst; dass sie, wenn sie etwas analysieren, also sich selbst analysieren; in dem von einer Revolution berichtet wird, die infolgedessen kein Mensch bemerkt hat; einer Revolution, die das Lieben unmöglich gemacht hat; die keine Tatsachen geschaffen hat, nur Möglichkeiten; die keine neue Welt geschaffen hat, sondern die Welt hat verschwinden lassen

[38] Zwei Feinde kennt die Liebe. Der eine hat die gesamte Geschichte hindurch die größte Beachtung gefunden; Dramen, Romane, Filme handeln von ihm. Es ist der Zwang – der Zwang der Familien, der Kirchenoberhäupter, der weltlichen Herrscher, der Gesellschaft. Die Liebe wurde behindert durch höhere Gewalten, Interessen und Abhängigkeiten.
    Der andere Feind ist kaum je wahrgenommen worden. Er war kein Feind der Liebe von Anfang an, im Gegenteil, er gilt als ihr Begründer und lenkender Geist. Zum Feind wurde er erst mit der Zeit. Es ist die Freiheit. Die Liebe kann nicht nur an ihren Unmöglichkeiten scheitern, sondern auch an ihren Möglichkeiten, nicht nur an fremden Interessen, auch an den Interessen der Liebeswilligen, an den Liebesinteressen , nicht nur an höheren Gewalten, auch an der Gewalt eines sich als frei und originell verstehenden Bewusstseins.
    Die Liebe wird unmöglich in einer Epoche, die bisher noch keinen Namen hat. Es ist eine Epoche unendlicher Freiheit, unbegrenzter Möglichkeiten. Das Ende der Liebe ist nur das Symptom einer Umwälzung, die nichts lässt, wie es ist. Es ist eine Epoche, in der die Menschen nicht mehr ausbrechen aus einer Ordnung, sich nicht mehr behaupten müssen gegen Mächte, die ihnen sagen, wie sie zu leben haben, sondern in der sie von Beginn an in der Freiheit sind – eine Epoche, in der die Freiheit absolut geworden ist.
    Natürlich existieren noch Mächte in dieser Welt. Doch keine nimmt den Menschen mehr die Verantwortung für ihr Leben ab. Keine trifft Entscheidungen für sie. Es sind Mächte, die den Menschen begegnen wie die wilden Tiere der Urzeit – sie können furchtbar sein, Raubtiere, die die Menschen zerfleischen. Aber wenn sie ihnen auch das Leben nehmen, lassen sie ihnen doch die Freiheit. Auch der Mensch, der gerade gefressen wird, denkt noch über Alternativen nach.
    [39] Es ist die größte Revolution seit Entstehung von Kapitalismus und Demokratie. Doch sie ist unbemerkt geblieben. Sie folgte keinem Umsturz, keinem Wechsel der Regierung, nicht der Erfindung einer neuen Technik. Dennoch sind die Folgen für das Leben der Menschen handfest, für manche sind sie tödlich.
    Die Gesellschaft hat sich ebenso verändert wie einst im Übergang vom Mittelalter zur Moderne. Im Mittelalter hatte der Mensch einen festen Platz in einer gesellschaftlichen und göttlichen Ordnung. In der Moderne stand der Mensch im Konflikt mit der gesellschaftlichen und göttlichen Ordnung. Er behauptete sich gegen sie, wälzte sie um, wuchs über sie hinaus. Wenn er von Freiheit sprach, meinte er eine Freiheit, die sich gegen eine Ordnung behaupten musste.
    Beide, Mittelalter und Moderne, sind Zeiten eines Miteinanders gewesen, eines Bezogenseins auf andere, in Liebe oder in Feindschaft und Kampf. Im Mittelalter lebte der Mensch weitgehend in Harmonie mit den Anderen, seinen Herren und Untertanen, seinem Gott. In der Moderne kämpfte er mit den Anderen – seinen rebellischen Untertanen, seinen tyrannischen Herren, einem paradoxen, irrsinnigen Gott.
    Jetzt ist der Mensch allein. Das heißt: Die Ordnung hat sich so gewandelt, dass es im Bewusstsein des Menschen jetzt ausschließlich auf ihn selbst ankommt. Der Mensch scheint frei, sich selbst zu wählen, die Anderen zu wählen, die eigene Ordnung zu bestimmen. Er scheint unbegrenzte Möglichkeiten zu haben. Doch jeder Mensch versagt vor seinen unbegrenzten Möglichkeiten. Keiner erreicht, was er erreichen

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