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Das Ende der Männer: und der Aufstieg der Frauen (German Edition)

Das Ende der Männer: und der Aufstieg der Frauen (German Edition)

Titel: Das Ende der Männer: und der Aufstieg der Frauen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Rosin
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Vermutung, die Frauen würden ihr »Frausein« so verabscheuen, dass sie ihre neugeborenen Töchter mit Zorn und Verachtung betrachteten. Nun jedoch erodiert die jahrhundertelange Bevorzugung der Söhne – oder verkehrt sich sogar in ihr Gegenteil. »Frauen unserer Generation wollen Töchter, und zwar gerade weil es uns gefällt, wer wir sind«, plappert eine Frau in der Frauenzeitschrift Cookie .
    In den 1970er Jahren fand der Biologe Ronald Ericsson eine Methode, wie man die Spermien mit dem männliche Nachkommen produzierenden Y-Chromosom von denen mit dem X-Chromosom trennen konnte. Er ließ die Spermien durch eine Glasröhre mit immer dickeren Albuminbarrieren schwimmen. Spermien mit dem X-Chromosom haben einen dickeren Kopf und eine längere Geißel, und Ericsson nahm an, dass sie in dem dickflüssigen Medium stecken bleiben würden. Spermien mit dem Y-Chromosom sind schlanker und schneller und können, wie Ericsson glaubte, leichter an das Ende der Röhre schwimmen. Das Verfahren war laut Ericsson das Gleiche, wie wenn man »Rinder am Tor aussortiert«. Die Rinder, die zu spät zum geschlossenen Tor kamen, waren natürlich die Spermien mit X-Chromosom, was ihn zu freuen schien.
    Ericsson wuchs auf einer Ranch in South Dakota auf, wo er sich seinen Cowboygang und seine Art zu reden aneignete. Statt eines Labormantels trug er Cowboystiefel und einen Cowboyhut und gab seine Version von Cowboypoesie zum Besten. Sein Leitspruch im Leben lautete: »Frühstück um halb fünf und um sechs im Sattel, da ist kein Platz für Schlendrian«. Im Gespräch mit mir erzählte er, dass er 1979 seine Ranch für die epochale Marlboro-Zigarettenwerbung zur Verfügung gestellt habe, weil er an das zentrale Bild der Kampagne glaubte: »Einen Kerl, der auf seinem Pferd einen Fluss entlangreitet, keine Bürokraten, keine Anwälte. Er ist der Boss.« Wenn Ericsson den Prozess der Spermaselektion demonstrierte, benutzte er manchmal einen Zeigestock, der aus einem getrockneten Bullenpenis hergestellt war. In den späten 1970er Jahren verkaufte er Lizenzen für die Verwendung seiner Methode – die er als das erste wissenschaftlich bewiesene Verfahren zur Wahl des Geschlechts bei Kindern bezeichnete – an Kliniken in verschiedenen Staaten der USA .
    Die Feministinnen der damaligen Zeit waren auf den Labor-Cowboy und seinen Sperminator nicht gut zu sprechen. »Man muss sich um die Zukunft aller Frauen Sorgen machen«, schrieb Roberta Steinbacher, eine Nonne, die Sozialpsychologin geworden war, in einem Porträt von Ericsson, das 1984 in der Zeitschrift People erschien. Angesichts der »universalen Vorliebe für Söhne« sah sie eine dystopische Gesellschaft mit massenproduzierten Jungen voraus, in der die Männer weiterhin die Positionen mit Macht und Einfluss beherrschen würden, während sie den Frauen einen Status zweiter Klasse zuweisen würden. »Ich glaube, die Frauen sollten sich fragen: ›Wo wird das enden?‹«, schrieb sie. »Viele von uns wären jetzt nicht hier, wenn es diese Praktiken schon vor Jahren gegeben hätte.«
    Ericsson lachte, als ich ihm diese Zitate seiner alten Feindin vorlas. Selten war es so leicht, eine finstere Voraussage zu widerlegen. In den 1990er Jahren, als sich Ericsson die Zahlen der vielleicht zwei Dutzend Kliniken ansah, die sein Verfahren anwandten, entdeckte er zu seinem Erstaunen, dass sich die Paare häufiger Mädchen als Jungen wünschten. Diese Diskrepanz besteht bis heute, obwohl Ericsson seine Methode für effektiver hält, wenn es um die Produktion von Jungen geht. Seiner Aussage nach werden in einigen Kliniken Mädchen heute im Verhältnis von zwei zu eins bevorzugt. Umfragedaten darüber, welches Geschlecht die Amerikaner vorziehen, sind Mangelware und weisen keine klare Präferenz für Mädchen aus. Aber in den Arztpraxen ist das Bild klar. Für Micro-Sort, eine neuere Methode zur Spermienselektion, läuft derzeit bei der Food and Drug Administration das Genehmigungsverfahren für die klinische Anwendung. Bei Anwendung dieses Verfahrens werden etwa 75 Prozent Mädchen gewünscht. Die Frauen, die heutzutage in Ericssons Klinik anrufen, sagen ganz direkt: »Ich will ein Mädchen.« Sie reden nicht mehr um den heißen Brei herum. »Diese Mütter«, sagt Ericsson, »schauen sich ihr eigenes Leben an und denken, dass ihre Töchter eine glänzende Zukunft haben werden, die ihre eigenen Mütter und Großmütter nicht hatten, ja sogar eine glänzendere Zukunft als ihre Söhne. Warum sollten sie

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