Das Ende der Männer: und der Aufstieg der Frauen (German Edition)
dann kein Mädchen wählen?« Er seufzt und konstatiert das Ende einer Ära. »Gab es eine Dominanz der Männer? Natürlich gab es sie. Aber jetzt ist sie anscheinend vorüber. Und die Ära des erstgeborenen Sohnes ist total vorbei.«
An Ericssons eigener Familie lässt sich gut demonstrieren, wie sich die Situation gewandelt hat. Seine 27-jährige Enkelin (»groß, schlank, gescheit wie der Teufel, eine extrem durchsetzungsfähige Person«) ist Biochemikerin und arbeitet in der DNA -Sequenzierung. Seine Nichte hat an der University of Southern California Bauingenieurin studiert. Seine männlichen Enkel, sagte er, seien gescheit und gutaussehend, aber in der Schule »bekamen sie glasige Augen. Ich muss ihnen sagen: ›Baut bloß keinen Scheiß und fahrt euren Pick-up zu Schrott oder schwängert irgendein Mädchen und ruiniert damit euer Leben.‹« Kürzlich witzelte er bei einem Treffen mit den alten Männern seiner Grundschulklasse, dass er sich einer Geschlechtsumwandlung unterziehen werde. »Frauen leben länger als Männer. Sie kommen besser in dieser Volkswirtschaft zurecht. Sie machen häufiger einen Hochschulabschluss. Sie fliegen ins All und tun auch sonst alles, was Männer tun – und manchmal tun sie es um einiges besser. Ich meine, macht bloß die Bahn frei, verdammt noch mal, diese Frauen werden uns Männer abhängen.«
Der Wandel ist nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern auch in den meisten anderen modernen Volkswirtschaften deutlich zu beobachten. Mehrere Jahrhunderte lang war Südkorea einer der patriarchalischsten Staaten der Erde. Frauen, die keine männlichen Erben zur Welt brachten, wurden oft misshandelt und wie Bedienstete behandelt; manche Familien beteten zu Geistern, damit diese kleine Mädchen töteten. Nun jedoch ist diese Vorliebe für den erstgeborenen Sohn, oder überhaupt für Söhne, verschwunden. In den letzten Jahren hat die Regierung künftigen Eltern in einer landesweiten Befragung folgende Frage gestellt: »Wenn Sie schwanger wären, welches Geschlecht würden Sie sich dann für Ihr Kind wünschen?« Im Jahr 2010 antworteten 29,1 Prozent der Frauen, sie hätten lieber einen Sohn als erstgeborenes Kind, und 36,3 Prozent sagten, ein Mädchen (der Rest antwortete: »keine Präferenz«). Bei Männern war die Kluft noch größer: Nur 23 Prozent wollten einen Jungen und 42,6 Prozent ein Mädchen. Die Mehrheit der Befragten wollte erst beim dritten Kind, nach zwei Töchtern, lieber einen Jungen, und diese Mehrheit war nur knapp.
Aus feministischer Sicht werden die jüngsten sozialen, politischen und wirtschaftlichen Gewinne der Frauen immer als langsame, mühevolle Aufholjagd im fortgesetzten Kampf um die Gleichberechtigung der Geschlechter dargestellt. Aber offenbar ist der Wandel viel radikaler: Die Frauen holen nicht mehr nur auf, sie werden zum Standard, an dem Erfolg gemessen wird. »Warum bist du nicht mehr wie deine Schwester?« ist ein Satz, der vielen Eltern von Jungen und Mädchen im schulpflichtigen Alter einleuchtet, auch wenn sie ihn nicht immer laut aussprechen. Eltern, die sich vorstellen, dass sie stolz zusehen, wie ihr Kind heranwächst und sich entwickelt und im Erwachsenenalter Erfolg hat, haben dabei öfter ein Mädchen als einen Jungen vor ihrem geistigen Auge.
Ja, in den Vereinigten Staaten und vielen anderen Ländern gibt es immer noch eine Lohndifferenz zwischen den Geschlechtern. Ja, Frauen übernehmen noch immer den Löwenanteil bei der Kinderbetreuung. Und ja, die höchsten Positionen der Macht werden noch immer von Männern beherrscht. Aber angesichts der schieren Geschwindigkeit der wirtschaftlichen und anderer Entwicklungen scheinen diese Umstände eher die letzten Überbleibsel einer zu Ende gehenden Ära als eine permanente Struktur zu sein. Dutzende von Studentinnen, die ich für dieses Buch interviewte, hielten es für durchaus wahrscheinlich, dass ihr Mann zu Hause bleiben wird, weil er für die Kinder sorgt oder einfach Arbeit sucht. Männer »sind der neue Klotz am Bein«, sagte eine Studentin im vierten Studienjahr, als sie mit mir sprach. Es kann langsam und ungleichzeitig passieren, aber es passiert zweifellos: Das moderne Wirtschaftsleben wird zu einem Ort, an dem die Frauen die besseren Karten haben.
In dem Jahr, seit ich in der Zeitschrift The Atlantic den Artikel veröffentlichte, der mich zu diesem Buch inspirierte, wurde ich als radikale Feministin bezeichnet, weil ich angeblich die Überlegenheit der Frau über den Mann
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