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Das Ende der Privatsphäre: Der Weg in die Überwachungsgesellschaft

Das Ende der Privatsphäre: Der Weg in die Überwachungsgesellschaft

Titel: Das Ende der Privatsphäre: Der Weg in die Überwachungsgesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schaar
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allem die zielgerichtet ausgespähten Opfer erhielten das Recht auf Einsichtnahme in die über sie gesammelten Unterlagen. Für die ehemaligen Stasi-Mitarbeiter und von der Stasi Begünstigte gibt es nur ein eingeschränktes Auskunftsrecht. Ihnen ist insbesondere jeglicher Zugang zu personenbezogenen Daten Dritter verwehrt, auch wenn sich diese in ihren Personalakten befinden.
    Besonders brisant war und ist die Überprüfung von Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes und Bewerbern für diesen, Abgeordneten und anderen Personengruppen auf Stasi-Kontakte. Interessenverbände ehemaliger Stasi-Mitarbeiter sowie Politiker der PDS (heute: »Die Linke«) sprachen in diesem Zusammenhang sogar von »Siegerjustiz«, insbesondere wenn aufgrund von Stasi-Akten Personen aus dem öffentlichen Dienst entlassen wurden.
    Bereits in den Neunzigerjahren forderten Politiker aus Ost und West einen »Schlussstrich« unter die individuelle Stasi-Aufarbeitung, etwa der ehemalige Regierende Bürgermeister von Berlin, Eberhard Diepgen (CDU), und der SPD-Politiker Egon Bahr. Noch Ende 2006 wurde über die Frage gestritten, ob Bewerber für den öffentlichen Dienst weiterhin per Regelanfrage überprüft werden dürften. Schließlich einigten sich die Bundestagsparteien – mit Ausnahme der PDS – auf den Kompromiss, dass auch in Zukunft die Überprüfung möglich sein soll, jedoch beschränkt auf herausgehobene Positionen und nicht als Standardmaßnahme für alle Beschäftigten im öffentlichen Dienst.
    Die Lehren aus der DDR-Vergangenheit beeinflussten auch die Verfassungsdebatte unmittelbar vor und nach der Vereinigung am 3. Oktober 1990. Der vom »Zentralen Runden Tisch« erarbeitete – jedoch nicht mehr von der Volkskammer beschlossene – Verfassungsentwurf für die DDR enthielt ein Grundrecht auf Datenschutz. Alle neuen Bundesländer haben den Datenschutz in ihre Landesverfassungen aufgenommen. Die Berücksichtigung des Datenschutzes im Grundgesetz war später auch Gegenstand der Beratungen der Gemeinsamen Verfassungskommission des Bundes und der Länder. Entsprechende Vorschläge von SPD und Bündnis 90/Die Grünen fanden jedoch nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit. Immerhin stimmten alle Teilnehmer darin überein, dass der Datenschutz als »Recht der informationellen Selbstbestimmung« nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seit seiner Volkszählungsentscheidung von 1983 auch ohne ausdrückliche Nennung im Grundgesetz als Grundrecht anzusehen ist (vgl. 3.1).
    Wie wichtig es gewesen wäre, das Grundrecht auf Datenschutz ausdrücklich im Grundgesetz zu verankern, zeigt sich in unseren Tagen. Immer wieder hört man von Vertretern der Sicherheitsbehörden, die datenschutzfreundlichen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts würden »überschätzt«. Die Bundesregierung und der Gesetzgeber müssten dem Gericht die »Chance geben, seine Position zu korrigieren«. Leider ist es angesichts der politischen Mehrheitsverhältnisse unwahrscheinlich, dass in absehbarer Zeit doch noch ein Datenschutzartikel in das Grundgesetz eingefügt wird.

2
     
    Technologie und Datenschutz
     

2.1 Ein Blick zurück
     
    In den vorindustrialisierten Gesellschaften beschränkte sich die Dokumentation persönlicher Verhältnisse auf einen kleinen Ausschnitt des Lebens, und sie betraf nur die herrschenden Eliten. Der Alltag des einfachen Volkes wurde weder schriftlich dokumentiert noch zahlenmäßig erfasst. Es fehlte ganz einfach an der Notwendigkeit, alle möglichen Daten des Alltags zu erfassen, denn die meisten Beziehungen spielten sich im persönlichen Nahbereich ab. Man kannte einander und konnte sich aufeinander verlassen – oder auch nicht. Geschäfte wurden per Handschlag besiegelt und persönlich bezeugt.
    Allerdings gab es auch in vorindustriellen Gesellschaften bisweilen Gründe, personenbezogene Daten zu dokumentieren. So wurde in italienischen Stadtrepubliken seit dem Spätmittelalter penibel darüber Buch geführt, wer sich wann und zu welchem Zweck in ihren Grenzen aufhielt. Verbannte wurden genauso namentlich verzeichnet wie Verurteilte. Empfehlungsschreiben, persönliche Genehmigungen und individuelle Passierscheine sollten dazu beitragen, Reisende, Bettler und Soldaten zu identifizieren. Schließlich führte die heilige Inquisition umfangreiche Listen von Ketzern und von solchen Personen, die der Ketzerei verdächtig waren, um bei »Wiederholungstätern« rasch auf die Höchststrafe des Verbrennens bei lebendigem

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