Das Ende der Welt (German Edition)
mich, wie ein Kämpfer den anderen.«
Ich wusste, dass ich Cato straffrei töten könnte. Niemand würde mich zur Rechenschaft ziehen. Von weit weg hörte ich Leela meinen Namen rufen, sanft wie ein Hauch. Mein Finger krümmte sich um den Abzug. Es wäre so einfach gewesen, aber es hätte auch bedeutet, dass Cato noch immer über mich bestimmte. Ich holte aus und schlug ihm den Gewehrkolben ins Gesicht. Catos Augenbraue platzte auf, und ein Blutstrom ergoss sich über seine rechte Gesichtshälfte. Sein Blick flackerte, sein Mund öffnete und schloss sich, als wollte er etwas sagen, dann kippte er stumm auf die Seite. Für seine Männer war es das Signal zum Aufgeben: Sie legten die Gewehre nieder und hoben die Hände.
Sofort waren unsere Leute da und sammelten die Waffen ein. Prüm stand teilnahmslos da, die Arme über dem Kopf verschränkt, und sah mich an. Ich drehte mich weg.
Meine Knie zitterten, und hätten Leela und Amandus mich nicht aufgefangen, wäre ich auf das Pflaster gestürzt.
45
Ich schlief zwei Tage und zwei Nächte, und als ich aufwachte, hatte sich unsere Welt verändert. Cato schmorte in einer Zelle, wo er auf seinen Prozess wartete.
Donard war an der Grenze gefasst worden: als Frau verkleidet! Prüm saß in einer Anstalt, er hatte den Verstand verloren. Wolf war tot, wie ich erfuhr. Er hatte sich erschossen.
Nur Sönn blieb verschwunden, und ein Teil meines Herzens hoffte, dass er entkommen konnte.
Nach dem Fall von Berlin hatten sich auch die anderen Städte erhoben und Catos Leute verjagt. Es war wie ein schlechter Traum, aus dem das Land erwachte. Die Leute rieben sich die Augen und fragten sich, was mit ihnen passiert war. Diplomaten schwärmten aus, um mit unseren Nachbarn Friedensverträge auszuhandeln. Amandus war offiziell als Kanzler zurückgetreten, und er wollte das Amt auch nicht mehr übernehmen. Er, Burger und ein paar Staatsrechtler brüteten über einer neuen Verfassung. In Zukunft sollten alle Menschen, unabhängig von ihrem Stand, wählen dürfen, sogar Frauen, was ich komisch fand, aber Leela boxte mir in die Seite und sagte: »Das ist die Zukunft.«
»Was wollt ihr denn als Nächstes?«, fragte ich. »Etwa noch das Recht, Militärlaster zu fahren?«
»Warum nicht?«, schmunzelte sie.
Wir wussten nicht, wie es weitergehen würde. Doch zumindest trieben wir nicht mehr wie die Ratten auf einem stinkenden Strom, der uns sonstwo hinspülen und uns jederzeit ersäufen könnte.
Am dritten Tag unseres Sieges gab Trigger Starr ein Konzert vor dem Tor der Siegesgöttin. Diesmal trug sie keine Militärkleidung, sondern ein Kleid, das mit Sonnen bedruckt war. Nach der Vorstellung nahm sie ihre Maske ab und zeigte uns ihr Gesicht. Das Publikum jubelte. Trigger Starr war kein entstelltes Monster, sondern eine ganz normale junge Frau.
Leela und ich standen neben der Bühne. Sie sah zum Tor hoch. »Ich hatte so eine Angst, dass sie mich und meinen Vater einfach runterschießen«, sagte sie nachdenklich und zog mich zu einer Statue im Säulengang. »Das da ist Mars«, erklärte sie. »Ein alter Kriegsgott. Das Volk, das ihn einmal verehrt hat, ist schon lange tot.«
»Aber er ist noch da«, sagte ich. »Und wartet.«
Leela lächelte. »Aber er steckt sein Schwert gerade wieder ein. Das heißt: Der Krieg ist beendet.«
»Man könnte aber genauso gut denken, dass er das Schwert gerade rauszieht, um sich wieder in den Kampf zu stürzen«, überlegte ich.
»Ich glaube, er hat die Nase voll vom ewigen Kämpfen«, sagte Leela.
Ich sah wieder zu Mars hoch. Da lag so ein leichtes Grinsen auf dem steinernen Gesicht des Gottes. Vielleicht hatte Leela recht, aber vielleicht auch nicht. Vielleicht kommt es auf einen selbst an und darauf, wie man es sehen will.
AN DEN LESER
Den Text fand ich im Nachlass eines meiner Ahnen, dessen Stammbaum sich über die Jahrhunderte bis zu Kjell zurückführen lässt. Versteckt auf dem Boden einer Kiste, war diese Geschichte vermutlich nicht zur Veröffentlichung gedacht. Nach reiflicher Überlegung kam ich jedoch zu dem Entschluss, ihn der Nachwelt nicht vorzuenthalten. Wir Nachgeborenen haben ein Recht auf die Wahrheit. Denn wer aus der Geschichte lernt, lernt für die Zukunft.
Ich habe den Text inhaltlich kaum geändert, nur dort, wo es zwingend für das Verständnis der heutigen Leser nötig war. Viele Begriffe der damaligen Zeit erklären sich im Text selbst. Manches habe ich auf schwierigen Wegen nachgeforscht und erklärend angefügt.
Ohne die
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