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Das Ende der Welt (German Edition)

Das Ende der Welt (German Edition)

Titel: Das Ende der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Höra
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und bösartig, deswegen schmiss ich es oft weg.
    Ich zerrte mir den nassen Uniformstoff von der Haut, um mir etwas Luft zu verschaffen. Durch den ständigen Nieselregen waren unsere Kleider immer feucht. Wenigstens sanken die Temperaturen nie unter 10 Grad, so dass es nicht richtig eisig wurde.
    Verkohlte Baumstümpfe standen am Weg, der uns zur Zef-Siedlung führte. Rechts davon erstreckte sich, wie ein schmutziges Meer, ein fruchtloser Acker, der an einem dichten Wald endete. Zu meiner Linken zerplatzte blubbernd eine Blase auf dem breiigen Sumpf. Mücken schwirrten in der Luft herum und machten uns das Leben schwer. Immer wieder hörte ich ein Klatschen, gefolgt von einem Fluch.
    Als wir an einem Autowrack vorbeikamen, schoss ein pilzübersäter Hund hervor und kläffte uns an. Sönn erschlug ihn mit seinem Knüppel.
    Die Schlote der Eisengießerei waren bereits in Sicht, als Sönn Prüm und mich zu sich winkte. »Ihr beide nehmt den Gesuchten fest«, sagte er.
    Das war eine große Ehre für uns Jungen, denn normalerweise führten wir solche Aufträge nur in Begleitung älterer Soldaten aus. Nachdem wir die Hütten durchsucht hatten, bekamen wir einen Tipp: das Gemeindehaus.
    »Du gehst vorn rein«, befahl Prüm und machte mir Zeichen, dass er die Hintertür nehmen würde.
    Ich hasste Prüms Befehlston. Schließlich waren wir ebenbürtig. Aber ich gab nach, um einen Streit zu vermeiden. Vorsichtig stieß ich die Tür mit meinem Schlagstock auf und wartete einen Augenblick, bis meine Augen sich an das Dämmerlicht gewöhnt hatten. Ich probierte den Lichtschalter, was ziemlich sinnlos war, da es um diese Zeit noch keinen Strom gab. Zwar hatten die Fabriken eigene Kraftwerke für ihre Maschinen, aber die Zefs bekamen nur am Abend für zwei Stunden Strom.
    Ich suchte auf dem staubigen Boden nach frischen Fußabdrücken, konnte in dem Dreck aber nichts erkennen. Langsam drehte ich mich um die eigene Achse, den Schlagstock erhoben. Tödliche Waffen durften wir gegen die Zefs nicht einsetzen, denn auch wenn sie nicht viel wert waren und sich sowieso wie die Kaninchen vermehrten, waren sie doch nützlich. Wer einen Zef tötete, musste mit einer empfindlichen Geldstrafe rechnen, es sei denn, es war Notwehr.
    Vor mir über der Bar hing ein verschmierter Spiegel. Ich sah hinein und erkannte im Licht des herandämmernden Morgens meine kräftige Gestalt, die perfekt sitzende schwarze Uniform, das hohlwangige Gesicht mit den Pickeln unter dem militärischen Bürstenschnitt.
    Meine Mutter war immer so stolz auf mein Haar gewesen. Es war blond und kräftig, und wenn es länger wuchs, bekam ich Locken und sah aus wie ein Mädchen.
    In diese Gedanken versunken, sah ich im Spiegel hinter mir eine Bewegung und schnellte herum. Zu spät, etwas Hartes knallte mir an die Schläfe, und für einen Moment stürzte ich in ein tiefes, schwarzes Loch, bevor ich mich auf dem Boden wiederfand. Mein Gegner sprang auf mich und presste mir mit seinem Gewicht die Luft raus. Ich schlug blindlings um mich, traf etwas Weiches, hörte ein Knirschen und wusste, dass ich ihm die Nase gebrochen hatte. Augenblicklich tropfte mir fremdes Blut ins Auge und sogar in den Mund. Ich spuckte, um den metallischen Geschmack loszuwerden. Der Angreifer nutzte meine Schwäche und presste seine Hände wie eine Zange um meinen Hals. Blindlings tastete ich nach meinem Schlagstock, fand ihn aber nicht. Mir ging langsam die Luft aus, und meine Augen fingen an zu tränen. Hinter meinem Gegner sah ich eine dunkle Gestalt stehen. Der Todesengel, schoss es mir durch den Kopf. Ich würgte, und ein grelles Licht erschien als winziger Punkt vor meinen Augen, der größer und größer wurde. Ich wusste, er würde mich einsaugen, und dann wäre ich tot. Ein Teil meines Bewusstseins wollte aufgeben, sanft und widerstandslos hinübergleiten. Doch der andere Teil wollte überleben. Mit letzter Kraft riss ich das Knie hoch und traf meinen Gegner in die Weichteile. Er ließ mich augenblicklich los und krümmte sich auf dem Boden, wobei er sich die Hände zwischen die Beine presste und von einer Seite auf die andere rollte.
    »Du hast mir die Eier zerquetscht«, stöhnte er.
    »Du hast mich fast umgebracht«, röchelte ich und rieb mir den Hals. Das Schlucken war ein einziger Schmerz.
    »Ich wollte nur abhauen.«
    »Bist du Roger?«, fragte ich ihn.
    »Ja!«, heulte er.
    Er war ein wenig älter als ich. Stark wie ein Baum, aber kein erfahrener Kämpfer.
    »Deine Leute werden mich

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