Das Ende der Welt (German Edition)
Wichtigeres auf der Welt.
Ich legte mich quer über eine Sitzreihe und schlief ein, schreckte aber wieder hoch. In wenigen Stunden würde der Morgen anbrechen. Ich durfte nicht schlafen. Ich ging auf und ab, machte ein wenig Schattenboxen, bis ich mir in der Dunkelheit das Schienbein stieß. Nach meinen Berechnungen würde in etwa drei Stunden der Tag anbrechen, spätestens dann musste ich aufbrechen.
Angestrengt spähte ich nach Westen, von dort würde die Nachhut kommen. Kurz vor Tagesanbruch jagte ein Wagen vorbei. Ich kauerte mich hinter die Sitze, aber die beiden Soldaten sahen stur geradeaus.
Der Tag begann, doch von unseren Leuten war nichts zu sehen. Ich wurde immer unruhiger. Vielleicht haben Catos Leute sie erwischt, überlegte ich. Bald hielt ich es nicht mehr aus. Ich konnte nicht länger warten, ich musste bei Leela sein. Die Nachhut würde auch ohne mich nach Berlin finden.
Den Rückweg schaffte ich in kürzerer Zeit und erreichte bald die U-Bahn-Station, die dem Stadttor am nächsten lag. Ich stieg hoch, zog mir meine Kapuze tief ins Gesicht und schob mich durch die Menschenmassen. Bald sah ich die Göttin auf dem Stadttor thronen. Ich hatte den Eindruck, sie würde schadenfroh grinsen, aber das lag wohl eher an der Entfernung. Wenigstens hatte sie den Lorbeerkranz siegessicher erhoben. Der Platz vor dem Tor war genau so, wie ich ihn in Erinnerung hatte: Er brummte vor Menschen und Pferdebahnen. Soldaten schoben sich durch die Menge, Händler boten ihre Waren an. Ich sah mich unauffällig nach Leela und den anderen um und fragte mich, wie sie ungesehen auf das Tor steigen wollten. Da brach Lärm aus, ein Schuss fiel, die Menschen rannten ängstlich davon. In der entstandenen Lücke sah ich eine hünenhafte blonde Frau ein Beil schwingen. Ich brauchte einen Moment, um zu erkennen, dass es der Zar war, neben ihm Burger, Amandus und Leela. Ich versuchte mich zu ihnen durchzudrängeln, aber die Masse drückte von vorn und warf mich zurück.
Die vier waren mittlerweile zwischen den Säulen des Stadttores verschwunden. In einer gab es eine Treppe, die nach oben führte. Als ich Leela und Amandus das nächste Mal sah, standen sie bereits oben, direkt vor der Kutsche der Siegesgöttin, eingekeilt zwischen zwei Pferden. Ein Raunen ging durch die Menge, als sie die beiden erkannte.
Der Zar und Burger waren nicht zu entdecken. Wahrscheinlich sicherten sie die Treppe. Einem Soldaten, der neben mir sein Gewehr anlegte, verpasste ich mit dem Ellbogen einen Schlag an die Schläfe. Er sank zusammen, fiel aber nicht um, weil er eingekeilt in der Masse stand.
Amandus hatte beschwichtigend die Hände erhoben. Augenblicklich, wie die Stille nach einem Sturm, verstummte der Lärm, und die Menschen sahen erwartungsvoll nach oben.
»Mitbürger«, hörte ich Amandus’ schwache Stimme, die vom Wind weggetragen wurde. Da erschienen ein paar Bewaffnete, stellten sich in einer Reihe vor dem Tor auf und richteten ihre Gewehre auf die Menge. Ich erkannte Adam unter ihnen. Oben erschien ein Mann und stellte ein Mikrofon vor Amandus.
»Mitbürger!«, versuchte er es noch einmal. Ein Fiepen drang aus den Lautsprechern, doch dann war er klar und deutlich zu hören, als würde er neben uns stehen.
Die Menge wartete gebannt. Nur ein paar Soldaten liefen hektisch hin und her, unschlüssig, was sie tun sollten.
»Cato hat euch betrogen«, dröhnte Amandus’ Stimme über den Platz. Immer mehr Menschen schoben von hinten nach.
»Er hat uns alle benutzt, um seine Ziele zu erreichen.«
Ein Mann riss die Arme hoch und jubelte Amandus zu. Seine danebenstehende Frau zischte ihn an, ruhig zu sein.
Langsam trat Stille ein, während Amandus über Catos Verrat sprach und wie er mich und Leela und auch Burger für seine Zwecke missbraucht hatte.
Bald ertönten die ersten Nieder-mit-Cato-Rufe, in die immer mehr Zuhörer einfielen. Als ob ein Damm gebrochen wäre. Für einen Moment konnte Amandus nicht weitersprechen.
Ich drängelte mich weiter nach vorn.
»In vielen Städten haben sich die Menschen bereits gegen Cato gewandt, und es werden immer mehr«, fuhr Amandus fort. Beifall brandete auf. Plötzlich fiepte es aus den Lautsprechern, ein lautes Plopp! war zu hören und Amadeus war nicht mehr zu verstehen. Militärfahrzeuge bahnten sich rücksichtslos ihren Weg durch die Menge und zerquetschten mehrere Menschen. Bewaffnete Gardisten sprangen von den Ladeflächen und schossen über unsere Köpfe hinweg.
Auf dem Platz vor dem Tor
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