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Das Ende der Welt (German Edition)

Das Ende der Welt (German Edition)

Titel: Das Ende der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Höra
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Bones und Gordon, ihn zu begleiten. Ich sah den dreien nach, bis sie im Hotel verschwunden waren. Neben mir trabte ein Zef vorbei, der eine Senatsbürgerin auf den Schultern trug, die ihn zur Eile antrieb. Der Mann keuchte mit hochrotem Gesicht. Prüm lachte. »Wenn du erst mal so tief gesunken bist und andere für ein paar Kreuzer tragen musst, kannst du dich gleich erschießen.« Er klatschte begeistert in die Hände. »Ist das eine wanzige Stadt!«
    Mir gefiel das alles nicht. Viele Menschen hatten leere Augen, als hätten sich ihre Seelen davongemacht.
    »Was ist das denn für einer?«, fragte Prüm und zeigte auf einen halbnackten Mann, der witternd wie ein Tier näher kam. Der Mann streckte bittend die Hand aus und verbeugte sich dabei pausenlos. Prüm trat ihm in die Seite, dass er jaulend umfiel und vor Schreck lospinkelte.
    »Stinkende Zefs«, schimpfte Prüm.
    In diesem Moment kehrte Sönn zurück. An seiner Seite ging ein Mann, der mir bekannt vorkam. Eine wulstige Narbe zog sich quer über seinen Hals, als habe jemand versucht, ihm die Kehle durchzuschneiden. Die Gesichtshaut des Mannes spannte sich und sah aus wie hinter den Ohren festgezurrt. Das kurzgeschnittene Haar wirkte wie in die Kopfhaut genagelt. Ich bekam eine Gänsehaut. Der Mann war älter als auf den Bildern, doch er war es tatsächlich: Cato! Der berühmte General Cato. Wir nahmen augenblicklich Haltung an.
    »Guten Tag, meine Herren«, begrüßte uns Cato mit einer hohen und heiseren Stimme, die nicht zu seiner Erscheinung passte.
    »Ich hoffe …«
    Da zerriss ein scharfer Knall die Luft. Die Straße bebte, Scheiben klirrten. Das Echo der Explosion pfiff wie ein Querschläger zwischen den umliegenden Häusern hin und her. Wir warfen uns instinktiv zu Boden, nur Cato blieb ungerührt stehen und sah uns lächelnd an. »Eine Bombe, meine Herren. Der Befreiungsausschuss ist fleißig, kurz vor der Wahl.«
    Er kicherte. »Ihr werdet euch daran gewöhnen.«
    Ich klopfte mir den Staub von der Uniform und blickte in die Richtung, aus der die Explosion gekommen war. Eine dünne Rauchfahne stieg von dort auf. Ein Auto der Medizinischen Abteilung raste an uns vorbei. Die Lautsprecherstimme war kurzzeitig verstummt, jetzt plärrte sie ungerührt weiter.
    »Wir werden euch erst mal Passierscheine besorgen, damit ihr euch in der Stadt bewegen könnt«, sagte Cato und winkte einem seiner Männer, der uns über einen Seiteneingang ins Registrierungsgebäude und in einen leeren Warteraum führte. Nach kurzer Zeit tauchten ein paar Frauen in grauen Kitteln auf, die unsere Namen und unsere Einheit notierten. Sie schrieben im Stehen und benutzten dabei dünne Bretter als Unterlage, die sie zwischen Fingerspitzen und Armbeuge geklemmt hatten. Anschließend mussten wir warten, während sie unsere Passierscheine ausstellten.
    Mich hielt es nicht auf dem Stuhl, und so sah ich mich ein bisschen um. Hinter einer halb angelehnten Tür standen ausgemergelte Männer, Frauen und Kinder mit nackten Oberkörpern. Ärzte in Schutzanzügen horchten sie ab, guckten ihnen mit Lampen in die Münder, in die Augen, in die Ohren. Die Gesunden bekamen einen Passierschein. Die Kranken wurden aussortiert und durften Berlin nicht betreten. Viele fingen an zu weinen und klammerten sich an ihre gesunden Familienmitglieder, aber die Seuchenpolizei riss sie auseinander.
    »Kjell, wo steckst du denn?«
    Es war Prüm.
    »Hier«, sagte er und hielt mir meinen Passierschein hin.
    »Was ist?«, fragte er, als ich zögerte.
    »Werden wir auch untersucht?«, wollte ich wissen.
    »Wozu denn? Wir sind Soldaten und kein Abschaum.«
    Ich schüttelte den Kopf und musste über mich selbst lachen.
    Dann betraten wir Berlin. Eine breite Prachtstraße führte Richtung Osten. In der Mitte trabten Pferdebahnen, an deren überfüllten Wagen die Passagiere wie reife Trauben schaukelten. Cato baute sich vor uns auf. »Männer!«, rief er mit seiner hohen Stimme. »Ab jetzt wird es ernst. Mit den Passierscheinen seid ihr befugt, alle Stadtsektoren zu betreten, außer jenen der Senatsbürger und den verbotenen.« Er machte eine Pause und räusperte sich.
    »Morgen in aller Frühe werdet ihr zuerst den M-Sektor kennenlernen. Wir werden da ein bisschen aufräumen.« Er kicherte hexenartig. »Der menschliche Müll da hat sich in letzter Zeit etwas zu sehr ausgebreitet.«

06
    Sie brachten uns in einer Kaserne im Stadtzentrum unter.
    In den zugigen Räumen lagen Bücher verstreut auf dem Boden. »Das war mal eine

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