0095 - Am Mittag vor dem großen Coup
Montag, der 11. 2'., acht Uhr sechsundfünfzig vormittags, Gerät 11. Sprechdauer…
Die letzte Spalte ließ er frei, bis sich das Tonbandgerät wieder ausschaltete. Dann sah er wieder auf die Uhr und errechnete die Länge des Gesprächs. Die trug er ein und setzte sich wieder.
Dies war seine Beschäftigung von morgens acht bis nachmittags sechzehn Uhr. Selbst die Mittagsmahlzeit nahm er zwischen den Tonbandgeräten ein, sobald sie ihm aus der Kantine gebracht worden war. Um sechzehn Uhr löste ihn dann ein Kollege ab, der bis Mitternacht die Geräte überwachte. In der Nacht bis morgens acht Uhr schließlich hockte die dritte Ablösung vor den Apparaten. Es war nervtötend.
Dabei waren neunzig Prozent der aufgenommenen Gespräche völlig wertloses Geplapper. Less steckte sich eine Zigarette an und döste vor sich hin. Dann wurde es ihm zu langweilig. Er nahm das Band aus Gerät 11 und legte ein neues ein. Mit einem Hebelgriff schaltete er die Kontrollampen ein. Wenn sich jetzt ein Gerät einschaltete, würde er es nicht hören, sondern am Aufflammen des roten Lämpchens sehen.
Er nahm das herausgenommene Tonband und legte es in sein Wiedergabegerät ein. Er stülpte sich die Kopfhörer über und spielte sich das Gespräch vor, das um acht Uhr sechsundfünzig von Gerät 11 aufgenommen worden war. Dabei glitten seine Augen unentwegt in die Runde. Aber es blieb ruhig, kein weiteres Gerät schaltete sich ein.
Less hörte mit steigendem Interesse das Gespräch an. Als es zu Ende war, streifte er sich aufgeregt die Kopfhörer ab und griff zum Haustelefon. Er wählte die Nummer des Chefs vom Dienst.
»Hier ist Less, ich habe vor ’ner knappen Viertelstunde ein verdammt interessantes Gespräch aufgenommen. Ich bin der Meinung, daß sich sofort ein paar Kollegen um die Sache kümmern sollten.«
Der Einsatzleiter sah in seiner Diensttabelle nach und entschied: »Ruf dir Cotton und Decker rauf, Less. Die bearbeiten im Augenblick nur die Akten ihres letzten Falles.«
»Okay«, sagte Less, drückte die Gabel nieder, ließ sie wieder hochschnellen und sah in der Liste der Hausanschlüsse nach. Er wählte die Nummer von meinem Office und sagte: »Jerry, du könntest mal zu mir raufkommen. Der Einsatzleiter ist der gleichen Meinung.«
»Dann will ich mich mal nach eurer Meinung richten«, erwiderte ich. »Soll ich Phil gleich mitbringen?«
»Das wäre nicht übel.«
»Okay, wir kommen sofort.«
Ich legte den Hörer auf und wandte mich an meinen Freund Phil Decker.
»Less war an der Strippe. Wir sollen ihn mal in seiner Abhörzentrale aufsuchen. Anscheinend hat er was Interessantes erlauscht.«
»Gehen wir«, sagte Phil und stand auf. Ein paar Minuten später betraten wir das Office der Technik. Ein paar Kollegen sahen kurz auf, erkannten uns und senkten wieder die Köpfe über ihre Arbeit.
Wir durchquerten ein paar Räume, in denen es von technischen Apparaten wimmelte.
Im letzten Zimmer saß Less Martins zwischen seinen Tonbandgeräten. Er nickte uns zu, während er etwas auf seinen Block notierte. Dabei murmelte er: »Das Gerät dort. Nehmt jeder einen Kopfhörer.«
Wir hatten selbst schon mal hier Dienst getan und kannten uns daher aus. Wir schalteten das von unserem Kollegen bezeichnete Gerät ein und preßten jeder einen Kopfhörer an ein Ohr. Ein schwaches Knacken war zu hören. Ich stellte den Stärkeregler ein bißchen lauter, und dann war die erste Stimme da: »Ja, hallo?« fragte eine Männerstimme von mittlerer Höhe. Nicht zu tief, nicht zu hoch. Genau Durchschnitt. Auch daß sich der Bursche nicht mit seinem Namen meldete, trug nicht zu unserer Erheiterung bei.
Am anderen Ende der Leitung blieb es eine Weile still.
Nach einem gewissen Zeitraum wiederholte der erste: »Ja, hallo?«
Noch immer blieb der Anrufer still. Nach ein paar Sekunden sagte der erste wieder: »Hallo, ja?«
Seine Stimme klang kein bißchen nervös. Ich machte mir sofort einen Vers darauf. Wenn jemand angerufen wird,- aber der Anrufer sagt nichts, dann wartet kein normaler Mensch zweimal ungefähr zehn Sekunden, um geduldig dreimal »Ja, hallo?« zu fragen. Und daß er das letztemal die Worte genau umsetzte, bestärkte mich sofort in der Überzeugung, daß es sich hier um ein verabredetes Zeichen handelte.
Tatsächlich meldete sich der Anrufer erst nach dem dritten Fragen. Jetzt quoll eine träge, schleimig-fette Stimme an unser Ohr: »Ich habe mir noch mal alles durch den Kopf gehen lassen. Die Frau muß
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