Das Ende des Himmels: Roman (German Edition)
Nanos – ist es nicht gestattet, mehr von sich selbst zu bauen, damit sie nicht außer Kontrolle geraten. Nur die Göttin … ich meine, nur das Dach.« Er grinste. »Natürlich gibt es keine Göttinnen! Nur das Dach darf sie herstellen, und seit Beginn der Krise … nun, seitdem kann sie … kann es das nicht mehr.«
»Also geht alles kaputt und wird nicht mehr repariert?« Stolperzunge dachte an die Gebäude in Menschen-Wege, wo er aufgewachsen war. Seit Generationen verfielen sie immer mehr.
Hiresh schien es für einen Moment übel zu werden, doch seine Miene hellte sich schon bald wieder auf. »Das ist nur vorübergehend! Die Krise, meine ich. Vor ein paar Monaten erschien der Kommissionsvorsitzende persönlich auf den Wänden und erklärte, man hätte ein Heilmittel für diese Sache gefunden. Wir haben noch ein schlimmes Jahr vor uns, während sie alles in Ordnung bringen, aber danach gibt es wieder genug Nahrung für alle, und die Flüchtlinge werden ins Obergeschoss zurückkehren können.« Er zappelte aufgeregt. »Stell es dir nur vor! Das Paradies! Wir werden wieder im Paradies leben. Alle werden glücklich sein. Keine Schikanen durch die Religiösen.«
»Ich dachte, es wären die anderen, die Nichtgläubigen … die Weltlichen , die das Sagen haben, oder?«
Hiresh tat den Einwand ab, und sein schmales Gesicht nahm plötzlich einen verbitterten Ausdruck an. »Die Religiösen schikanieren ihre eigenen Leute. Und das kann doch nicht richtig sein!« Er hielt inne, während sich seine Miene langsam entspannte. »Aber es wird auch wieder andere Sachen geben, wenn alles repariert ist. Spiele. Konzerte. Wir werden sogar Kosmetik haben!«
»Kosmetik?«
»Es ist ähnlich wie Medizin. Diese kleinen Maschinen können dich verändern, damit du aussiehst wie …« Er schüttelte den Kopf und wandte den Blick ab. »Tut mir leid. Das ist eine ziemlich blöde Sache. Ich bin einfach nicht sehr beliebt bei den Mädchen, das ist alles.«
Stolperzunge lächelte. »Ich auch nicht. Bis Indrani kam.«
»Ich weiß.« Das Lächeln kehrte zurück und ließ Hireshs ganzes Gesicht strahlen.
Sie saßen eine Weile schweigend da, doch dann schien Hiresh sich plötzlich wachzurütteln.
»Und?«, sagte er. »Kommt Indrani hierher? Nachdem du jetzt eine Unterkunft hast, meine ich?«
»Woher soll sie wissen, dass ich hier bin?«
»Du wirst es ihr natürlich sagen.«
»Ich werde es? Natürlich?«
Sie starrten sich gegenseitig verwirrt an. Dann lachte Hiresh nervös. »Hier oben bist du wie ein Baby! Nichts für ungut, Häuptling. Ich wollte dich nicht beleidigen! Ich bin dein größter Fan, musst du wissen. Deshalb habe ich dir da unten geholfen. Ich meine, alle sagten, du wärst tot, als der Gelbrachen dich erwischt hat, aber ich wusste, dass das nicht stimmte. Ich wusste es …«
»Ich bin nicht beleidigt«, erwiderte Stolperzunge. »Ich verstehe nur nicht, wie man hier jagt.«
»Nun gut«, sagte Hiresch. »Dann will ich dir helfen, die … Jagd zu erlernen. Schließ einfach die Augen. Und lass sie geschlossen, ganz gleich, was geschieht. Okay?«
Stolperzunge gehorchte.
Plötzlich stand Hiresh vor ihm und trug ganz anders gefärbte Felle als vorher. Nun war sein Körper mit kräftigen Muskeln ausgestattet. »Kannst du mich sehen? Kannst du mich hören?«
Die Veränderung machte dem Jäger Angst, und als er die Augen öffnete, gab es in seinem Sichtfeld zwei Versionen von Hiresh, den neuen und den alten. Der alte grinste mit geschlossenem Mund, der neue schwebte vor ihm in der Luft und erklärte: »Ich habe dir gesagt, dass du die Augen geschlossen halten sollst. Jetzt ist deine Verwirrung sogar noch größer!«
»Mach, dass der Geist verschwindet!«, rief Stolperzunge.
Der neue Hiresh löste sich in Luft auf.
»Ich will nicht, dass so etwas noch einmal passiert!«, erklärte der Jäger. »Sag dem Dach, dass ich es nicht will!«
Hiresh seufzte. »Sag es ihm selber. Ja, wirklich! Denk einfach ganz deutlich, dass du nicht willst, dass irgendwer Kontakt zu dir aufnehmen kann, dass du es nicht einmal wissen willst, wenn es jemand versucht. Dann wird es sofort aufhören, das verspreche ich dir.«
Stolperzunge atmete tief durch und versuchte es. Ein Teil von ihm fand seine Ängste albern, aber er konnte nicht anders. Es fühlte sich zu sehr an, als würde er von einem hungrigen Geist heimgesucht.
»Alles in Ordnung«, sagte der Junge. »Es war nicht real. Nur ein Bild, nicht mehr als die Tätowierung auf deinem Arm. Wenn
Weitere Kostenlose Bücher