Das Ende des Zufalls - Wie Big Data uns und unser Leben vorhersagbar macht (German Edition)
dafür, was da technologisch überhaupt abläuft – und welche Dimensionen es bekommen wird. Geschweige denn eine Vorstellung, wie wir das gesellschaftspolitisch regeln werden.
Digitale Schutzschilder
2012 gab es plötzlich einen besonderen Hype um eine neue App. Snapchat, so ihr Name, ermöglicht Fotos oder Videos zu senden, die nur eine bestimmte Zeit sichtbar bleiben. Als zusätzliche Sicherheit muss man auch seinen Finger auf dem Screen haben, um das Foto sehen zu können. Das verhindert die Möglichkeit, Screenshots zu machen. Der Erfolg von Snapchat, vor allem bei jungen Usern, die Fotos nicht für die Ewigkeit, sondern nur für einen Augenblick, und das nur mit ausgewählten Partnern, teilen wollen, veranlasste Facebook, mit einer eigenen App nachzuziehen: Poke. 198
Am Ende mussten leider sowohl Snapchat als auch Poke eingestehen, dass sich die Fotos keineswegs in Nichts auflösten, sondern mit ein wenig technischem Know-how durchaus auch nach der vorbestimmten „Lebenszeit“ im Gerät noch auffindbar waren. Aber allein die Vorstellung, selbst darüber bestimmen zu können, wie lange Inhalte, die man ins Netz stellt, dort auch verfügbar sind, war für viele attraktiv genug, die Apps zu nutzen. Was wir bräuchten, wäre eine Funktionalität, die es uns ermöglicht, schon bei der Inhalte-Generierung oder beim Teilen mit anderen festzulegen: „Das ist für die Ewigkeit“, oder: „Nach 30 Sekunden löschen.“ Neben Snapchat und Poke gibt es auch eine ganze Reihe anderer Apps, die das „Vergessen“ ermöglichen sollen. Die Firma Abine 199 bietet zum Beispiel Dienste an, deren Namen schon alles sagen: „DoNotTrackMe“, „DeleteMe“ und „MaskMe“. Bei allen geht es darum, seine eigenen digitalen Spuren wieder verwischen zu können. Im Januar 2013 kam eine speziell auf Facebook zugeschnittene App namens „FaceWash“ 200 auf den Markt, mit der man seine Facebook-Timeline von Einträgen und Bildern „säubern“ kann, die man irgendwann mal im Übermut hineingestellt hatte. Wer wissen will, wie er seine digitalen Spuren im Netz verwischen kann, für den gibt es online viele Tipps. Besonders empfehlenswert zu diesem Thema ist die „Zeit“-Online-Serie „Mein digitaler Schutzschild“. 201
Das Recht auf Vergessen
Die Nachfrage nach Apps, die es ermöglichen, die Lebensdauer von Inhalten, die man ins Netz stellt, selbst bestimmen zu können oder Inhalte wieder zu löschen, beweist, dass die Diskussion um das „Recht auf Vergessen“ nicht nur ein Thema für Rechtstheoretiker und Datenschützer ist. Es ist ein fundamentales Bedürfnis der Menschen. Sie wollen über die Inhalte, die sie ins Netz gestellt haben, selbst bestimmen können. Das „Recht auf Vergessen“ ist auch eine der wesentlichen Fronten der Auseinandersetzung zwischen den USA und Europa in Sachen Datenschutz. Eine US-Regierungsdelegation reiste im vergangenen Jahr extra nach Brüssel, um der für Datenschutz zuständigen Kommissarin Viviane Reding klarzumachen, dass die EU mit ihren Plänen nicht nur die Verbrechensbekämpfung und die Sicherheit gefährde, sondern auch die Wirtschaft behindere und Arbeitsplätze infrage stelle.
„Die US-Behörden vertreten dabei ungeniert die Interessen amerikanischer Internetgiganten wie Facebook und Google“, schreibt dazu „Der Spiegel“. „Reding will nach den jüngsten Datenskandalen strengere Regeln und wirksame Sanktionen bei Verstößen durchsetzen.“ EU-Bürger sollen künftig ein „Recht auf Vergessenwerden“ im Netz bekommen. 202 Der Zugang zu den eigenen Daten und das Recht, sie jederzeit zu transferieren, sind weitere Punkte der EU-Initiative, so wie auch generell mehr Transparenz und Verantwortung aufseiten der Unternehmen.
Die EU-Initiative würde bedeuten, dass Nutzer vor allem für Informationen, die sie selbst ins Internet gestellt haben, auch Löschung bei den Internetfirmen verlangen könnten. In der analogen Welt ist dieses Recht auf Vergessen in vielen Ländern selbst für Straftäter gesetzlich eindeutig geregelt. Ist die Strafe verbüßt und nach einer entsprechend längeren Frist aus dem Strafregister gelöscht, so darf darauf in keiner Form mehr Bezug genommen werden, sie wird also „vergessen“. Ein Rechtsanspruch, der heute im Internet praktisch nicht durchsetzbar scheint.
Kann man Daten erben?
Auch in vielen anderen Bereichen, wie zum Beispiel beim Umgang mit Daten nach dem Tod, fehlen weitgehend gesetzliche Regelungen. So kann
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