Das Ende
Mann befreite seine Hand. Er rasselte etwas auf Persisch herunter, woraufhin die beiden Wachmänner sie unsanft zur Tür geleiteten.
Mary trat auf den Gang hinaus und beeilte sich, einen Fahrstuhl zu erwischen. Es gelang ihr, zwischen den sich schließenden Türen, die ihr von einem mexikanischen Delegierten Ende vierzig aufgehalten wurden, hineinzuschlüpfen. Der Mann wich instinktiv zur Rückwand der Kabine zurück, als er einen Hauch von Marys strenger werdendem Körpergeruch einatmete.
Ein boshaftes Lächeln zuckte über das Gesicht der schwangeren Frau, als ihr fiebriger Verstand die russische Redewendung, die sie gegenüber dem Iraner geäußert hatte, übersetzte: Frohe Weihnachten – und ein gutes neues Jahr!
Die Migräne setzte in dem Moment ein, als sie aus dem Fahrstuhl trat. Schnörkelige violette Linien beeinträchtigten ihr Sehvermögen. Ein plötzlicher Anfall von Übelkeit ließ sie in die Damentoilette rennen. Kaum hatte sie es in eine leere Kabine geschafft, brach der blutige Auswurf aus ihren Eingeweiden hervor und versengte ihr den Rachen. Mehrere Augenblicke lang würgte sie den restlichen Inhalt ihres Magens in die Toilette, während sie am ganzen Körper zitterte, als sie das kalte Porzellan gegen ihren sich verkrampfenden Unterleib presste.
Als die Übelkeit abgeklungen war, fühlte sie sich schwach und zittrig. Sie zog sich auf die Füße hoch und wankte aus dem Verschlag zu einer Reihe von Waschbecken. Sie erschrak vor ihrem eigenen Spiegelbild.
Sie war leichenblass, fast grau. Ihre Augen waren eingefallen und rot. Ihre Adern zeichneten ein schwaches blaues Gitterwerk quer über ihre Stirn. Ein roter Fleck von der Größe einer Walnuss war oberhalb des Lymphknotens an ihrem Hals zu sehen. Scythe ist in Phase 2 eingetreten. Sieh zu, dass du zum Auto zurückkommst. Benutze den Impfstoff …
»Miss? Geht es Ihnen gut?«
Die kleine, etwas stämmige weiße Frau, die das Abzeichen einer Catering-Firma trug, starrte sie entgeistert an.
»Schwangerschaftsübelkeit.« Mary spülte ihren Mund aus und strich sich die feuchten Haarsträhnen aus der Stirn. Sie verließ die Toilette. Trat aus dem Gebäude.
Die kühle Luft bewahrte sie davor, ohnmächtig zu werden. Sie inhalierte die Dezemberkälte in ihre verunreinigte Lunge. Fand einen Weg an der Polizeiabsperrung vorbei und schob sich durch das Gewühl der
Demonstranten; jedes Mal, wenn sie hustete, bekam die gesichtslose Menge Spritzer verpesteten Blutes ab.
Nachdem sie sich aus der Horde befreit hatte, wartete sie an der First Avenue, bis das DO NOT WALK-Zeichen umsprang. Ihre Gedanken jagten hin und her, während sie sich Halt suchend an den Ampelmast klammerte. Im Fieberwahn, aber siegreich, eine wahre Kriegerin Christi. Ihre fiebrigen Augen starrten auf den schwarzen Abschleppwagen, der nach Norden auf die First Avenue abbog …
… und ihren weißen Honda Civic am Haken hatte!
»Nein … nein!« Blutiger Auswurf gluckste in ihrem Rachen. Halb torkelte, halb rannte sie quer über die vierspurige Kreuzung.
Hupen ertönte, Bremsen quietschten, Fußgänger schrien.
Eine Menschenmenge sammelte sich um den Körper von Mary Klipot, der ausgestreckt auf der First Avenue lag.
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»Die Behörden versuchen herauszufinden, wie der Impfstoffhersteller Baxter International Inc. ›experimentelles Virusmaterial‹ hergestellt hat, das auf einem menschlichen Grippestamm basiert, aber mit dem Vogelgrippevirus H5N1 verseucht ist, und es anschließend an eine österreichische Firma (Avir Green Hills Biotechnology) vertrieb. Die versehentliche Freisetzung einer Mischung lebender H5N1-und H3N2-Viren könnte zu schrecklichen Konsequenzen geführt haben. Wenn jemand, der mit der Mischung in Berührung kam, sich gleichzeitig mit H5N1 und mit H3N2 infiziert hätte, könnte der Betreffende als Inkubator für ein hybrides Virus gedient haben, das sich leicht auf Menschen und zwischen ihnen überträgt. Dieser Vermischungsprozess, Reassortment oder Reassortierung genannt, ist eine von zwei Möglichkeiten, wie pandemische Viren geschaffen werden können.«
The Canadian Press, 27. Februar 2009
BIOLOGISCHE KRIEGSFÜHRUNG, PHASE II
EPIZOOTISCHE VERSEUCHUNG
20. DEZEMBER
East 46 th Street
Tudor City, Manhattan, New York
9:33 Uhr
(22 Stunden, 30 Minuten vor dem prophezeiten Ende der Tage)
Vierunddreißig Minuten waren vergangen, seit Mary Klipot den Diplomatenkoffer in dem Abfallbehälter entsorgt hatte. Vierundzwanzig Minuten, seit die erste schwarze
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