Das entschwundene Land
ihren fieberheißen Kopf geschossen war. Ich tat ihr den Gefallen und dachte mir eine närrische Range aus, die zu dem Namen passen konnte, und mußte bald entdecken, daß uns eine Pippi ins Haus geschneit war, die wir nicht wieder loswerden konnten. 1944 wurde sie gedruckt, einerseits abgelehnt, andererseits preisgekrönt, jedenfalls lag sie plötzlich in den Buchhandlungen. Manche hielten sie für »etwas Unbehagliches, das an der Seele kratzt«, andere schlossen sie seltsamerweise ins Herz. Die Kinder taten es, und für sie hatte ich ja geschrieben. Oder, richtiger gesagt, für das Kind in mir, das noch immer nach Büchern hungert. Dieses Kind entdeckte mit Jubel – ja du liebe Zeit! – , Bücherschreiben macht ja genausoviel Spaß wie sie lesen!
Und deshalb schreibe ich Kinderbücher. Alles ist nur eine Fortsetzung dessen, was einst in Kristins Küche begann.
Das grenzenloseste aller Abenteuer
Als ich noch in die Vorschule ging, fragte die Lehrerin eines Tages, wozu Gott uns denn die Nase gegeben habe, und ein K näblein antwortete treuherzig: » Um Rotz drin zu haben.«
Ach, Albin, wie konntest du nur etwas so Dummes sagen, hast du denn wirklich nicht gewußt, daß die Nase dazu da ist, damit wir uns gleich jungen Hunden durch unser Kinderleben schnuppern und schnüffeln und Seligkeiten entdecken? Mach es wie ich, Albin, lege fünf frisch gepflückte Walderdbeeren in einen Aluminiumbecher und stecke die Nase tief hinein, mehr ist nicht nötig, um dort im Becher des Sommers ganze Fülle zu finden. Oder drücke die Nase an einen der frisch gebackenen braunen Brotlaibe gerade in dem Moment, wenn die Mutter sie aus dem Ofen holt, duftet er nicht durch und durch nach Geborgenheit, nach traulichem Heim und Alltagsbehagen? Einen Duft aber gibt es, der lieblicher ist als der von Walderdbeeren und frisch gebackenem Brot, möchtest du den nicht m al riechen, Albin? Mach es wie ich, nimm dein neues Märchenbuch, schlage es auf und bohre die Nase zwischen die Seiten, rieche daran, ja rieche, sage ich ... denn in dem Duft der Druckerschwärze wohnt das grenzenloseste aller Abenteuer. Am Geruch schon spürst du, wie herrlich es wird, dieses Buch zu lesen. Also verstehst du nun, Albin, daß die Nase nicht nur dazu da ist um Rotz drin zu haben?
Ja, das grenzenloseste aller Abenteuer der Kindheit, das war das Leseabenteuer. Für mich begann es, als ich zum erstenmal ein eigenes Buch bekam und mich da hineinschnupperte. In diesem Augenblick erwachte mein Lesehunger, und ein besseres Geschenk hat das Leben mir nicht beschert.
Heutzutage wissen ja wohl alle Eltern, daß ihre Kinder Bücher brauchen … oder etwa nicht? Falls es noch welche geben sollte, die das nicht wissen, dann kommt zu mir, liebe Freunde, damit wir darüber reden, denn mir liegt sehr viel daran, euch zu überzeugen. Ich weiß zwar nicht, was ihr euch für euer Kind erträumt und erhofft aber ich weiß, daß es für alle Wechselfälle des Lebens besser gerüstet ist, wenn es lesehungrig ist.
Was eigentlich wünscht ihr euch für euer Kind ... vielleicht zunächst einmal etwas so Banales wie, daß es in der Schule gut vorankommt? Ja aber dann müßt ihr ihm den Weg zum Buch weisen , und zwar nicht nur zum Lehrbuch sondern auch zu solchen Büchern, die seine Lesegier einzig und allein dadurch wecken, daß sie lustig
und spannend sind. Ist es nicht wunderbar, daß euer Kind nur dadurch, daß es etwas tut, was ihm Spaß macht, sich um vieles besser ausdrücken und schreiben lernt und so viel m ehr über die Welt erfährt, selbst über so was, das man in der Schule können muß?
Habt ihr guten Kontakt zu eurem Kind? Oder kapselt es sich in einer eigenen Welt ab, zu der ihr keinen Zutritt habt? Wünscht ihr mitunter, ihr wüßtet ein wenig mehr darüber, was in ihm vorgeht? Ja , aber dann müßt ihr ihm den Weg zum Buch weisen! Zusammen mit eurem Kind müßt ihr lustige oder auch traurige Bücher lesen, egal welche. Eins weiß ich, ihr werdet bald entdecken, daß diese Bücher das beste Verbindungsglied sind, das es gibt. Vertrautheit stellt sich ein, wenn ihr zusammen über ein Buch lacht oder weint. Und vieles von dem, was euer Kind innerlich beschä ftig t hat, kommt zur Sprache, wenn ihr euch über das Gelesene unterhaltet.
Was erwünscht und erhofft ihr euch noch für euer Kind? Womöglich hegt ihr gar sehr hohe Erwartungen und träumt davon, daß es eines Tages zu denen gehört, die die Welt verändern und sie zu einem besseren Platz für die Menschen
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