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Das entschwundene Land

Das entschwundene Land

Titel: Das entschwundene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Lindgren
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Vater, blau wie eine Strandhaubitze, mit dem großen Zeh in der Pökelfleischtonne landete. Huck Finn , ja! Vielleicht bleibt mir am längsten und eindringlichsten die Erinnerung an meine langsame Fahrt den Mississippi hinunter auf dem Floß, das Huckleberry Finn gehörte.
    Nun glaube man ja nicht, daß ich nur Klassiker gelesen habe! Tatsache ist immerhin, daß die Bücher, die mich damals vor langer Zeit am stärksten ergriffen haben und meine ständigen Begleiter geworden sind, gerade die sind, die auch heute noch in den Bibliothekskatalogen zu finden sind. Sollte das womöglich daran liegen, daß es zufälligerweise so gute Bücher waren?
    Aber weiß Gott, nicht nur Klassiker! Mein Lesestoff war breit gefächert, so könnte ich behaupten. »Der Mann mit den eisernen Fäusten« oder »Der König der Haudegen« hieß ein wahres Kleinod, das in der Schulbibliothek unbegreiflicherweise nicht vorhanden war. Mein Bruder bestellte es auf eine Anzeige hin, unter großen finanziellen Opfern erwarb er sechs rosa Bände, triefend von Blut, Verbrechen und teuflischer Bosheit. Oh, wie haßte ich diese wunderschöne Alli Jerrold, die die ganzen sechs Bände hindurch dem König der Haudegen, Jack Barr, nichts als Elend und Ungemach bereitete. Ich fand es ganz in Ordnung, daß ihr in einer dunklen Nacht das schöne Gesicht mit einem Rasiermesser zersch nitten wurde – ritsch, ratsch! – , nach diesem Denkzettel war sie nicht mehr ganz so schön! So »gerecht« und so erbarmungslos ist man gewesen, wenn man in den auf Buchseiten ausgetragenen Kämpfen richtete, und dennoch glaube ich nicht, daß man als Kind besonders gefühllos war. Aber mit Alli Jerrold hatte ich kein Mitleid, im übrigen besorgte sie sich, durchtrieben wie sie war, einen schwarzen Schleier, den sie vor dem Gesicht trug, so daß nur noch ihre schönen Augen zu sehen waren, und damit verhexte sie auch weiterhin den armen Jack Barr.
    Die wunderbaren Schilderungen der Schurken in »Der Mann mit den eisernen Fä u sten« verschlang ich gleichzeitig mit Katy in der Schule, ferner »Sieben kleine Heimatlose« und »Eine kleine Prinzessin«, dazu unzählige billige Indianerhefte, Hedwig Courths-Mahlers tränentriefende Liebesromane und die frommen Geschichten von Runa und Betty, die meine Eltern alljährlich zu Weihnachten vom Pfarrer geschenkt bekamen. Alle diese Bücher waren für mich gute Bücher, ich bitte dies zu beachten! Aber ich halte ja auch nichts davon, K inder zu Buchkritikern zu ernen nen.
    Die Zeit für unbegrenztes Lesen zu finden war freilich schwierig. Selbstverständliches Gebot war, daß man zu Hause half. Oft setzte ich mich an die Wiege, wo ich meiner jüngsten Schwester etwas vorsingen mußte, weil sie sonst nicht einschlafen wollte, und hatte ich gerade ein spannendes Buch erwischt, war das eine harte Prüfung. Aber ich wußte mir zu helfen. Ich sang ihr aus dem Buch
    vor Seite auf und Seite ab. Natürlich dauerte es länger als sonst, aber es ging. »Es saß ein einsam Mütterlein im Wald und weinte sehr, tralalalala« – dieses »Lied« zitieren meine Geschwister noch heute als Beispiel für meine Gesangsleseübungen.
    Daß ich selbst mit der Zeit Kinderbuchautorin geworden bin, liegt einzig und allein am Wetter. Hätte es an einem bestimmten Märztag 1944 in Stockholm nicht geschneit, wäre es nie dazu gekommen.
    Schon in me iner Schulzeit erhoben sich war nende Sti m m en: »Du wirst mal Schriftstellerin, wenn du groß bist.« Und – spöttischer – »Du wirst mal Vimmerbys Selma Lagerlöf«. Das entsetz te mich derart, daß ich einen förmlichen Beschluß faßte: Niemals würde ich ein Buch schreiben! Bereits der Prediger Salomo klagt ja: » Des vielen Büchermachens ist kein Ende «, und ich hielt mich nicht fü r berufen, den Bücherstapel noch höher anwachsen zu lassen. Diese m m einem Vorsatz bin ich bis zum März 1944 auch treu geblieben. Doch dann kam dieser Schnee, der die Straßen glitschig wie Schmierseife machte. Ich fiel hin, verstauchte mir den Fuß, mußte liegen und hatte nichts zu tun. Was tut man da? Schreibt vielleicht ein Buch? Ich schrieb »Pippi Langstrumpf«. Wie die Pippifigur ursprünglich entstanden ist, habe ich so oft erzählt, weil ich so oft danach gefragt worden bin. Es hier noch einmal zu tun, kommt mir zwar dumm vor, aber trotzdem : 1941 lag meine Tochter Karin krank im Bett, und eines Abends sagte sie: »Erzähl mir was von Pippi Langstrumpf « Es war ein Name, der ihr gerade in diesem Augenblick durch

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