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Das entschwundene Land

Das entschwundene Land

Titel: Das entschwundene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Lindgren
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selber etwas, das sich in einer Küche ereignet, so spielt sich dies ewig und unveränderlich bei Kristin ab ... dort steht die Küchenbank, dort der Tisch, dort der eiserne Herd, und dort ist die Tür zur Stube.
    Ja, gesegnet sei Kristins Küche und gesegnet sei Edit! Sie las mir auch weiterhin ab und zu etwas vor. Die Bücher kann sie sich nur in der Schule geliehen haben, denn zu damaliger Zeit hatten Häuslerkinder keine Bücher. Auch Bauernkinder nicht, zumindest ich nicht. Allmählich lernte ich selber lesen und ging auf die Jagd, um meinen wilden Lesehunger zu stillen. Anfangs war die Ausbeute nur mager. Aber die Lehrerin in der Vorschule hatte immerhin einen glänzenden Einfall – alljährlich brachte sie uns vor Weihnachten wunderbar bunte Prospekte über Weihnachtszeitungen und Märchenbücher mit, so daß man sich ein Buch als Weihnachtsgeschenk bestellen konnte. Schneewittchen mit einer von Jenny Nyströtn gezeichneten drallen, schwarzlockigen Prinzessin auf dem Umschlag war mein erstes eigenes Buch, danach kaufte ich mir auch »Unter Wichteln und Trollen« mit John Bauers unvergeßlichen Illustrationen. Ein Buch ganz für sich allein zu besitzen – daß man vor Glück nicht ohnmächtig wurde! Noch heute weiß ich, wie diese Bücher rochen, wenn sie funkelnagelneu und frisch gedruckt ankamen, ja denn zunächst einmal schnupperte man daran, und von allen Düften dieser Welt gab es keinen lieblicheren. Er war voller Vorgeschmack und Erwartungen.
    Dann war man plötzlich zehn Jahre alt und ging in die Oberschule. Im Lehrerzimmer gab es eine Schulbibliothek, und darauf stürzte ich mich wie eine Besessene und verschlang alles, was es dort gab. In diesen Jahren zwischen zehn und dreizehn verschlingt man ja Bücher, und auch ich futterte alles Erreichbare, gleichgültig ob ich es mir aus der Schulbibliothek holte oder von Mitschülern lieh, die mit Büchern besser ausgestattet waren als ich. Ich las die ganze lange Reihe von Sagen und Geschichten, vom Trojanischen Krieg bis zu »Robinson Crusoe« und »Onkel Toms Hütte«, dazu alles, was ich von Jules Verne ergattern konnte, ferner »Die Erzählungen des Feldschers« und Ingemanns historische Romane, »Der Graf von Monte Christo« und »Die drei Musketiere«, »Der letzte Mohikaner«, »Das Dschungelbuch«, »Die Schweden und ihre Häuptlinge«, »Die Schatzinsel«, »Tom Sawyer und Huckleberry Finn« – schau an, welch stattliche Liste alter Klassiker! Und dann alle die wunderbaren Mädchenbücher. Daß es überhaupt so viele nette und lustige Mädchen in der Welt gab, die einem plötzlich ebenso nahestanden wie Geschöpfe aus Fleisch und Blut! Da war Hetty, der irische Wildfang, und Polly, die Krone aller Mädchen aus New England, ferner Pollyanna und Katy, ganz zu schweigen von Sarah, dem Mädchen mit den Diamantengruben, die so unsäglich arm wurde und frierend in ihrer Bodenkammer hockte, bis Ram Dass mit Suppe und warmen Decken zu ihr über das Dach geklettert kam. Und dann natürlich Anne auf Avonlea, o du Unvergeßliche, auf ewig fährst du im Einspänner neben Matthew Cuthbert unter Avonleas blühenden Apfelbäumen! Wie ich mit diese m . Mädchen gelebt habe! Einen ganzen Sommer lang spielte ich mit meiner Schwester in dem großen Sägemehlhaufen oben bei der Sägemühle Anne auf Avonlea: ich war Diana Barry, und die Dunggrube hinter dem Kuhstall war die dunkel spiegelnde Woge.
    Daß es eine Zeit im Leben des Menschen gibt, wo man mit solcher Inbrunst und Hingabe liest! Der Schnee, der in der Steinzeitnacht unablässig auf Ura Kaipa niederrieselte, ich spürte ihn auf der eigenen Haut. Und an diesen Schnee werde ich mich noch erinnern, wenn ich schon jeden anderen Schnee vergessen habe. Da ist noch mehr, woran ich mich dann noch erinnern werde. An Avonleas Apfelblüte und an einen bestimmten Baum in Australien, der umstürzte und ein junges Mädchen erschlug, worüber ich sehr weinte; an eine Ziege, die im Schweden der Notzeit im Winterschnee umherirrte; an eine Wölfin in Indien und an einen Fuchs, der Wildgänse jagte – sie alle haben sich auf ewig meinem Gedächtnis eingeprägt. Und mehr noch gibt es, das ich nie vergessen werde. Den Schoner namens Hispaniol a, und wie sehr ich um den klei nen Jim Hawkins bangte, als der Schiffskoch mit seinem Holzbein augepoltert kam; ich werde noch immer wissen, wie ich mit Tom Sawyer und Becky Thatcher in der unterirdischen Höhle zitterte, wie ich über Onkel Tom weinte und wie ich lacht e , als Huck Finns

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