Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin
Ende zuneigten und er die ersten feuchten Träume erlebt hatte. Sie hatten einander scheue und sehnsuchtsvolle Blicke zugeworfen, sich im Vorbeigehen wie unabsichtlich berührt. Alle im Haus hatten sich darüber lustig gemacht, auf eine wohlwollende und nachsichtige Weise, die der freundlichen Zukunft, die auf die beiden jungen Leute wartete, Rechnung trug. Der Lehrbub und die Tochter des Braumeisters – eine Verbindung, die nicht nur vernünftig, sondern erwünscht war. Madlen und er waren gleichsam von Beginn an füreinander bestimmt gewesen.
Er beugte sich über sie und küsste sacht eine der verführerisch prallen Halbkugeln, als er erneut das Geräusch hörte. Diesmal gab es kein Vertun – es kam von draußen, vom Hof. Konrad hob den Kopf und versuchte, es einzuordnen. Es war das Rasseln und Schaben der Hundekette. Das war das höchste Anzeichen von Aufregung, das von dem alten Spitz noch zu erwarten war. Bellen konnte der Hund schon lange nicht mehr. Konrad schlug die Decke zurück und stand auf. Madlen bewegte sich und tastete vergeblich nach ihm. »Konrad?«, murmelte sie schlaftrunken.
»Schlaf weiter, Liebes«, flüsterte er. »Ich bin gleich zurück.«
Im Dunkeln ging er nach unten. In der Stube herrschte völlige Finsternis. Die beiden Läden zur Straße hin waren zugezogen, und das Nachtlicht, mit dem der alte Cuntz sich den Weg zur Latrine ausleuchtete, befand sich in dessen Kammer. Die Tür zu dem kleinen Schlafgemach hinter dem Kamin war geschlossen, offenbar hatte Cuntz die nötigen Gänge für diese Nacht hinter sich gebracht.
Konrad tastete sich vorwärts, an der Wand entlang bis zur Hintertür. Er stieß sie auf und trat ins Freie. Silbernes Mondlicht lag über Hof und Garten. Schwarz ragten die schemenhaften Umrisse von Brauhaus und Schuppen zu beiden Seiten des Hofs auf. Die im Hintergrund sichtbaren Silhouetten der Bäume und Büsche verschwammen mit der Nacht.
»Ist da jemand?«, rief Konrad halblaut. Vor einem kleinen Verschlag am Rand des Hofs lief der betagte Spitz hin und her und zerrte an der Kette. Etwas hatte ihn aufgescheucht, doch der Grund dafür war nirgends zu sehen. Als Hofhund taugte er nichts mehr, seine guten Jahre lagen längst hinter ihm. Konrad tätschelte ihn zwischen den Ohren. »Na, alter Bursche?«, murmelte er. »Was machst du für einen Radau? Hast du schlecht geträumt? Was sollen wir bloß mit dir anfangen, wenn wir schon nachts selber auf uns aufpassen müssen! Aber schlaf nur weiter, ich sehe nach dem Rechten.« Er umrundete den Ziehbrunnen und ging an den Latrinen vorbei zu den hölzernen Anbauten des Haupthauses. Im größten Schuppen, der auch als Wagenhaus und Pferdestall diente, stand der Gaul dösend hinter dem Gatter. Er nahm Konrads Anwesenheit kaum wahr. Dafür jedoch ein nächtlicher Eindringling: Eine Maus flitzte vor Konrads Füßen vorbei und verschwand in einer Bretterritze, dicht gefolgt von einem langen schwarzen Schatten. Gleich darauf ertönte das Kratzen von Krallen auf Holz und ein enttäuschtes Fauchen.
Konrad grinste unwillkürlich; wie der Hund hatte auch der Kater seine Dienste schon besser versehen. Madlen fütterte ihn zu gut.
Er verließ den Schuppen und ging weiter zum Hühnerstall, doch auch hier war nichts Verdächtiges zu entdecken. Im vergangenen Monat hatte ein Fuchs unter den Hennen gewütet, Folge einer versehentlich offen gelassenen Stalltür und eines losen Bretts im Zaun. Der alte Hofhund hatte den Überfall verschlafen, folglich hatte niemand den dreisten Räuber daran gehindert, vier Hühnern den Hals durchzubeißen und mit einem fünften zu verschwinden.
Konrad wandte horchend den Kopf. Hinten im Garten, zwischen den Obstbäumen und dem Zaun, der das Grundstück an der Rückseite begrenzte, raschelte es vernehmlich. Doch gleich darauf verstummte das Geräusch wieder, sicher waren es nur Wühlmäuse, die im Dunkeln nach Futter suchten. Vom Kater war weit und breit nichts zu sehen, nach der misslungenen Jagd im Stall versuchte er wohl sein Glück in der Nachbarschaft.
Konrad ging zum Haus zurück und dann in die von einem gemauerten Bogen überdachte Einfahrt. Zwischen Schank- und Wohnhaus befand sich die Falltür zum Keller, doch sie war verschlossen. Der Hund war wieder aufgestanden und lief umher, das metallische Rasseln der Kette hallte durch die Einfahrt. Konrad ging zum Tor, das die Einfahrt zur Straße hin verschloss, aber auch dieses war fest verriegelt.
Das Kettenrasseln hatte aufgehört. Vielleicht
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