Das Erbe der Jedi-Ritter 10 - Jainas Flucht
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Die Korona der aufgehenden Sonne ließ die riesigen Wälder im Norden des Planeten Myrkr grünlich leuchten. Aus dem Raum betrachtet wirkte der Planet so fruchtbar und grün wie Yuuzhan’tar, die verlorene Heimatwelt aus den Legenden der Yuuzhan Vong. Zwei männliche Yuuzhan Vong standen am Sichtfenster eines Priesterschiffes und hatten sich tief in die Betrachtung der Szene vor sich versenkt. Einer war groß und hager, hatte eine flache Stirn, und sein Gesicht wies scharfe, aristokratische Züge und die Narben vieler Opfer auf. Diese Male sowie sein geschickt gewickeltes Kopftuch machten ihn als hochrangigen Priester kenntlich. Sein Gefährte war jünger und breiter und körperlich so imposant, dass man auf den ersten Blick keine sichtbaren Grenzen zwischen Rüstung und Waffen und dem Krieger, der sie trug, erkennen konnte. Er zog stets die Blicke aller auf sich und erweckte den unauslöschlichen Eindruck einer lebendigen Waffe. Doch nun hatte er respektvoll Haltung angenommen. Der Priester wies mit der dreifingrigen Hand auf die Szene vor ihnen. »Dämmerung: heller Tod der sterblichen Nacht«, rezitierte er.
Harrars Worte folgten dem abgedroschenen Pfad der Sprichwörter, aber in seinen Augen funkelte eine aufrichtige Ehrfurcht, während er die ferne Welt betrachtete. Der junge Krieger legte in einer frommen Geste zwei Finger an die Stirn, doch seine Aufmerksamkeit galt weniger dem strahlenden Anblick von Myrkr, sondern viel mehr dem Gefecht, das sich über dem Planeten abspielte.
Vor der grünen Welt zeichnete sich ein faustgroßer Klumpen schwarzer Yorikkoralle ab. Das alte Weltschiff, auf dem Hunderte Yuuzhan Vong mit ihren Sklaven und Dienstwesen lebten, wirkte wie ein lebloser Stein. Doch als sich Harrars Priesterschiff näherte, konnte man die Zeichen eines Kampfes erkennen: Winzige Korallenflieger schwärmten umher und stachen zu wie Feuermücken, Plasmageschosse wogten in wildem, unregelmäßigem Rhythmus hin und her. Wenn das Leben aus Schmerz bestand, war das Weltschiff sehr lebendig. »Wir treffen zur rechten Zeit ein«, stellte der Priester fest und blickte den jungen Krieger an. »Diese jungen Jeedai scheinen entschlossen zu sein, sich als würdige Opfer zu präsentieren!«
»Wie Sie meinen, Eminenz.«
Die Worte klangen höflich, doch abwesend, als schenke der Krieger ihnen nur wenig Aufmerksamkeit. Harrar betrachtete seinen Begleiter forschend. Die Missklänge zwischen Priester und Kriegerkaste waren längst nicht mehr zu übersehen, doch fiel ihm bei Khalee Lah nichts auf, das auf solche Vorbehalte hindeutete. Der Sohn des Kriegsmeisters Tsavong Lah war ein stolzer Yuuzhan Vong. Seine ursprünglich graue Hautfarbe war nur noch an wenigen Stellen zwischen den schwarzen Narben und Tätowierungen sichtbar. Der Kommandantenmantel hing an den Haken, die in die Schultern implantiert waren. Weitere Implantate in Form von Stacheln zierten seine Ellbogen und die Fingerknöchel seiner Hände. Ein kurzer, dicker Dorn ragte aus der Mitte seiner Stirn − eine schwierige Operation, die auf wahre Würde schließen ließ.
Harrar fühlte sich geehrt, dass dieser viel versprechende Krieger ihm als militärische Eskorte zugeteilt worden war, aber er war wachsam und dazu ziemlich neugierig. Wie jeder gute Priester von Yun-Harla, der Göttin der List, genoss Harrar Spiele der Täuschung und der Strategie. Sein alter Freund Tsavong Lah beherrschte das vielschichtige Handeln meisterhaft, und von dem jungen Kommandanten erwartete Harrar das Gleiche.
Khalee wandte sich um und stellte sich der Musterung durch den Priester. Sein direkter Blick ließ keinesfalls den nötigen Respekt vermissen. »Darf ich offen sprechen, Eminenz?«
Harrar vermutete langsam eine Absicht dahinter, dass Tsavong Lah seinen Sohn zu einem Priester der List geschickt hatte. Offenheit war eine Schwäche − eine potenziell tödliche.
»In dieser Angelegenheit sollten Sie das Urteil des Kriegsmeisters bedenken«, riet er und versteckte mahnende Worte hinter seiner scheinbaren Zustimmung.
Der junge Mann nickte ernst. »Tsavong Lah hat Sie mit dem Opfer der Zwillings-Jeedai betraut. Noch liegt es in den Händen der Götter, ob sein letztes Implantat erfolgreich anwachsen wird, und Sie sind der Fürsprecher seiner Wahl. Wen der Kriegsmeister achtet, den verehre ich.« Er beendete seine Worte, indem er sich auf ein Knie niederließ und sich voller Respekt verneigte.
Dies war keineswegs die Botschaft, die Harrar zu übermitteln
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