Das Erbe der Templer
gewesen war. Man hatte ihn vielleicht nur als Vorboten geschickt. Nelson Nye lief weiter. Zwar lag nur die Treppe vor ihm, doch sie zog sich noch weit hin, bis der Parkplatz erreicht worden war. Hin und wieder warf er einen Blick zurück. Der Schatten des toten Hundes war längst verschwunden, andere Verfolger oder Angreifer entdeckte Nye nicht. Doch dies gab ihm keine Hoffnung. Die andere Seite war da, und sie würde auch kommen.
Er starrte nach vorn. Die lange Treppe wurde flankiert von alten Grabsteinen, den Zeugen der letzten Jahrhunderte. Stumme Beobachter seiner Flucht, staubumwallt, sich an die Hangerde duckend, verrottet, manchmal auch angenagt.
Sie kamen von unten.
Zuerst dachte Nye an Staubwolken, wenig später wurde er eines Besseren belehrt. Staubwolken gingen nicht, sie hinterließen auch keine Geräusche. Es waren Gestalten. Schwarze Gestalten in langen Umhängen, und sie waren nicht allein, denn sie führten an Leinen Bestien, die auf Menschen abgerichtet waren. Auch die Bluthunde hatten den einsamen Mann jetzt entdeckt. Aus ihren Mäulern drang ein scharfes Bellen, untermalt vom gierigen Hecheln. Sie zerrten an den Leinen.
Drei Hunde waren es.
Nye blieb stehen.
Sein Herz klopfte plötzlich so verdammt hart. Jeden Schlag spürte er als Echo in Höhe der Rippen. Auf der Stirn lag der Schweiß. Heiß und kalt wurde es ihm zur gleichen Zeit. Zwischen der Handfläche und dem Kolben seines Revolvers hatte sich ein glitschiger Film aus Schweiß gebildet, so daß er die Waffe nicht mehr so fest halten konnte, wie es eigentlich hätte sein müssen.
Nelson war ein ziemliches Stück gelaufen. Mehr als zwei Drittel der langen Treppe lag hinter ihm. Sollte es ihm nicht möglich sein, das letzte Drittel zu schaffen?
Über die Treppe nicht mehr, das stand fest. Wenn es überhaupt eine Chance gab, dann quer über das schräge Gräberfeld. Das tat er auch.
Es war nicht einfach, auf dem steinigen Boden zu laufen. Bei jedem Schritt lauerten neue Fallen, er mußte springen, zur Seite tauchen, um Grabsteine herumwirbeln und durfte dabei nicht die Richtung aus dem Auge bekommen. Wenn er wieder in den Friedhof hineingehetzt wurde, sanken seine Chancen.
Er achtete nicht auf die Gestalten, aber er hörte die verdammten Bluthunde. Sie waren dabei, ihn einzukreisen. Das scharfe Bellen und das bösartig klingende Knurren drangen aus verschiedenen Richtungen zu ihm, und wieder rasten Hitzewellen durch seinen Körper. Sie bildeten gleichzeitig einen Motor, der ihn antrieb. Er mußte die Angst einfach überwinden, hatte auch Glück, daß er nicht stolperte. Und schließlich erreichte er eine der alten Begrenzungen des Friedhofs. Es war dieser hohe Zaun mit den oben spitz zulaufenden Stäben. Wie das Gitter einer Gefängnistür kam es ihm vor. Er steckte den Revolver weg, umklammerte mit beiden Händen die rostigen Stäbe und zog sich keuchend daran hoch, wobei er seine Hacken gegen das Gitter drückte. War es zu schaffen?
Er strengte sich unwahrscheinlich an. Nach jedem Zug oder Ruck kam ein Ächzen über seine Lippen. Der Schweiß drang in seine Augen, hinterließ dort ein Brennen, aber der Mann achtete darauf nicht. Die Haut an seinen Handflächen war diese Belastung nicht mehr gewohnt. Sie scheuerte auf, blutige Striemen blieben zurück, und Rost drang in die Wunden.
Nelson machte weiter.
Die Angst sorgte für gewaltige Kräfte, so daß er fast über sich selbst hinauswuchs.
Mit dem nächsten Griff hatte er die Spitzen erreicht. Und als der erste Bluthund hochsprang, riß er das rechte Bein in die Höhe. Das Gebiß verfehlte ihn. Die Zähne schlugen gegen das Metallgitter. Es wurde durchgeschüttelt. Der Engländer konnte jetzt nicht mehr zurück. In dieser einsamen, unheimlich wirkenden Nacht erlebte er die Angst seines Lebens. Selbst die gefährlichen Spitzen des Zauns ignorierte er. Er mußte einfach hinüber.
Wie er es schaffte, wußte er selbst nicht zu sagen. Jedenfalls klappte es, und dann erwischte es ihn doch.
Mit der Hose blieb er an einer Spitze hängen. Als er endlich an der Außenseite des Zaunes auf halber Höhe hing, hatte er eine zerrissene Hose und eine Fleischwunde am Oberschenkel. Sie blutete stark. Nelson Nye ließ sich fallen. Der Aufschlag war hart, nahm ihm die Luft, aber Nye hatte sich nichts gebrochen.
Wie ein kranker Mann quälte er sich auf die Füße. Laufen konnte er nicht normal. Die Wunde an seinem Oberschenkel brannte furchtbar. Noch immer strömte Blut nach, aber Nye war auf die
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