Das Erbe der Templer
ab?«
»Ja, in Tel Aviv. Packen Sie Ihren Koffer.«
»Der ist immer gepackt.«
»Um so besser.« Sir James schaute auf seine Uhr. »Sie fliegen in nicht ganz zwei Stunden.«
Ich erschrak. »Das wird knapp.«
»Nicht, wenn Sie ein Hubschrauber an Ihr Ziel bringt. Er fliegt Sie nach Heathrow.«
Ich wunderte mich nicht einmal, denn mein Chef war ein Meister der Organisation. Zum Abschied reichte er mir die Hand. Sein Lächeln fiel etwas gequält aus. »Geben Sie auf sich acht. Manchmal ist es gefährlich, wenn man zu tief in einer Vergangenheit herumstochert.«
Ich nickte. »Besonders auf alten Friedhöfen.«
»Sie sagen es.«
Mit diesen Worten war ich verabschiedet. Auf dem Flur schüttelte ich den Kopf.
So eine Sonntags-Überraschung hatte ich auch noch nicht erlebt. Aber man lernt eben nie aus. Nichts ist so mit Überraschungen gespickt wie das Leben…
***
Über Israel lag ein strahlendblauer Himmel. Noch im Landeanflug sah ich das weite Meer und die Schatten zweier dort liegender Kriegsschiffe. Israel war ein Pulverfaß. Terror, Anschläge, Bomben, Soldaten und dazwischen das orientalische, geschäftige und oft genug auch hektische Leben. Die Mischung besaß eine Brisanz, die irgendwie fühlbar war. Die Sicherheitsvorkehrungen auf dem Flughafen waren, soweit ich das beurteilen konnte, optimal. Jeder Passagier wurde genau kontrolliert, auch ich, der ich als VIP reiste und von einem Mitglied der englischen Botschaft abgeholt wurde. Nelson Nye war etwas älter als ich. Er machte den Eindruck eines Haudegens. Das Haar war schon grau, die Haut sonnenbraun und wettergegerbt. Der Händedruck kräftig, das Lächeln herzlich, und gleichzeitig blieb in den Augen ein nachdenklicher Ausdruck zurück.
»Wir beide sind also aufeinander angewiesen, John.«
»Es sieht so aus.«
»Gut, packen wir es und hoffen wir, daß wir mehr Glück haben, als ich es bei meinem ersten Trip hatte.«
»Sie haben es doch überstanden und auch etwas erreicht.«
»Das stimmt schon. Nur möchte ich eine solche Jagd nicht ein zweites Mal erleben.«
»War es so hart?«
»Ja, widerlich.«
Wir waren nicht stehengeblieben, sondern zu einer kleinen Cafeteria gegangen, vor deren Tür Stehtische standen.
»Was nehmen Sie, John?«
»Kaffee.«
»Ich auch.«
Ein junges Mädchen brachte die Getränke, lächelte scheu und bedankte sich, als Nye noch ein Trinkgeld zur Rechnung legte.
»Ich habe lange genug in diesem Land gelebt«, begann der Botschaftsangehörige, »um Ihnen Tips geben zu können. Zunächst einmal möchte ich fragen, ob Sie über mich Bescheid wissen.«
»Sie sind Angestellter der Botschaft.« Ich hatte die Antwort mit einem gewissen Unterton in der Stimme gegeben, der Nye ebenfalls aufgefallen war, denn er begann zu lachen.
»Das ist mein offizieller Job«, sagte er.
»Und der inoffizielle?«
»Geheimdienst.«
»Das weiß ich.«
»Gut, dann sind die Fronten geklärt. Sie sollten aber noch etwas wissen. Wir befinden uns in einem Land, das sich seit seiner Entstehung immer nur verteidigen mußte. Wenn Sie es aus arabischer Sicht sehen, ist Israel ein Staat, der hier nicht hingehört. Israel wurde nach dem Zweiten Weltkrieg wieder ins Leben gerufen. Ich denke anders als die Araber, aber ich möchte noch etwas sagen. Wenn sich jemand in die Defensive gedrängt sieht, sucht er nach Möglichkeiten, um sich zu verteidigen. Eines dieser Verteidigungsinstrumente ist der israelische Geheimdienst Mossad. Manche halten ihn für den besten der Welt. Wahrscheinlich sind die auch über meinen Job informiert.«
»Sie rechnen also damit, daß dem Mossad bekannt ist, für wen Sie tatsächlich arbeiten?«
»Ja.«
Ich nahm einen Schluck Kaffee. Er schmeckte bitter. »Und weiter?«
»Wir stehen also höchstwahrscheinlich unter Beobachtung.«
»Da kann man nichts machen. Haben wir denn etwas Ungesetzliches vor?«
»Im Prinzip nicht. Das heißt, ich sehe es nicht als ungesetzlich an. Die Israeli denken anders darüber. Schließlich betreten wir eine ihrer ältesten Kulturstätten, den Judenfriedhof am Hang des Ölbergs. Dort vereinigen sich drei Religionen, das muß man sich einmal vorstellen. Ich wollte Ihnen nur klarmachen, was uns erwartet.«
»Aber was ist mit dem alten Judenfriedhof? Mein Chef sprach von einem zweiten Geheimnis, das auf diesem Friedhof verborgen sein soll und von dem Sie mehr wissen.«
Er hob die Schultern. »Mehr wissen, ist übertrieben. Ich weiß nur, daß so etwas existiert. Und zwar nicht weit von dem
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