Das Erbe in den Highlands
ihr das nur als Wunschdenken erschienen.
Er hakte den Finger in seinen Hemdkragen und zerrte daran. »Wenn Sie meinen ...«
»Allerdings.« Sie nickte bekräftigend.
»Nun gut. Am Flughafen wird ein Ticket für Sie bereitliegen. Ich kehre nach England zurück und sorge dafür, dass alles bereit ist.«
Genevieve brachte ihn zur Tür und schloss hinter ihm ab. Sie wartete, bis seine Schritte verklangen, und führte dann einen spontanen Freudentanz auf. Sie tanzte zurück in die Küche, um nachzusehen, ob noch Glückskekse übrig waren. Als sie die Tüte auf die Arbeitsplatte leerte, fielen ein Keks und zehn Hundert-Dollar-Scheine heraus. Na, wenn das nicht ritterlich war.
Sie brach den Keks auseinander und steckte die Hälfte davon in den Mund, noch ehe sie den kleinen Zettel entrollte.
Hüte dich vor Geistern, die Geschenke schicken.
Sie musste laut lachen. Offensichtlich war gemeint: »Hüte dich vor Griechen, die Geschenke bringen.« Ein seltsam zutreffendes Versehen, aber dennoch ein Versehen. Bryan McShane war keineswegs ein Geist. Den Schauer, der ihr über den Rücken lief, missachtete sie bewusst. Burgen hatten nun mal ihre Eigenheiten. Und ob in ihrer der Keller voller Vampirsärge stand, war ihr völlig egal.
Sie hatte gerade eine ganze Burg geerbt.
Ein Traum war Wirklichkeit geworden.
Leise vor sich hin fluchend ging Bryan McShane den Korridor entlang zum Arbeitszimmer. Ausgerechnet er hatte natürlich nach Seakirk fahren müssen. Nicht genug, dass er all seinen Mut zusammengenommen hatte und in die Staaten gereist war. Natürlich nicht. Jetzt musste er sich zum zweiten Mal stählen, um Maledicas neuesten Mandanten über die momentanen Entwicklungen zu unterrichten. So viel Geld gab es gar nicht, diese Mühsal aufzuwiegen. Er fummelte nach seinem zerknitterten Taschentuch, wischte sich über die Stirn und rang um Fassung. Zehn Minuten, in zehn Minuten wäre er wieder in seinem Wagen und auf dem Rückweg. Zehn Minuten würde er überstehen.
Auf sein zaghaftes Klopfen folgte nur die barsche Aufforderung einzutreten. Zögernd kam er dem nach. Sein Blick fiel auf den Fernsehschirm, der den größten Teil einer Wand einnahm. Amerikanische Footballspieler grunzten und fauchten in ihrem Bemühen, Boden gutzumachen, und Erfolg und Misserfolg ihrer Aktionen wurden dank der Satellitenschüssel auf den Zinnen in aller Lebendigkeit wiedergegeben.
»Die kämpfen wie Klosterschüler, finden Sie nicht?«, fragte eine tiefe Stimme.
»Jawohl, Mylord«, quiekte Bryan und musste erneut feststellen, dass seine Stimme in Gegenwart des anerkannten Lord of Seakirk nicht so funktionierte, wie sie sollte.
»Nun stehen Sie nicht da und zittern, Mann. Welche Kunde bringen Sie?«
»Sie ist hierher unterwegs. Am ersten Tag der nächsten Woche sollte sie eintreffen.«
Der Fernseher wurde ausgeschaltet, und Bryans Mandant stand vor ihm. Bryan war jedes Mal wieder überrascht, wie groß und einschüchternd der Mann war. Nicht nur die Kälte seiner blassgrünen Augen oder die meist bedrohlich gerunzelte Stirn erweckten diesen Eindruck. Auch nicht das Spiel seiner Muskeln, das die Kleider nicht verbargen, oder die Hände, die mit Leichtigkeit einen Mann in zwei Teile zerbrechen konnten. Nein, es war das spöttische Lächeln. Ein gefährliches Lächeln, dem jeglicher Anschein von Wärme fehlte. Wenn dieser Mann lächelte, hätte Bryan am liebsten das Weite gesucht.
»Ich hoffe, Sie leiten die nötigen Einzelheiten an Worthington weiter?«
Worthington war ein ältlicher Herr, der den fragwürdigen Titel eines Haushofmeisters trug. Für alles Geld der Welt hätte Bryan nicht mit ihm tauschen wollen.
»Jawohl, Mylord. Das werde ich als Erstes erledigen.«
»Und Sie haben sich Ihren Lohn genommen?«
»Jawohl, Mylord«, erwiderte Bryan, die Augen überall hin, nur nicht auf seinen Mandanten gerichtet. »Und keinen Pence mehr, als mir zusteht.«
»Hatte ich auch nicht anders erwartet. Ihr Honorar ist exorbitant, doch bei diesem Resultat will ich mich nicht beschweren. Gewiss werde ich die Dienste Ihrer Kanzlei auch weiterhin benötigen. Ich gehe davon aus, dass ich Sie in der Londoner Kanzlei erreichen kann?«
»Selbstverständlich, Mylord. Stets zu Ihren Diensten.«
Die Antwort war nur ein Brummen, und der Fernseher wurde wieder angeschaltet. Mit katzenhafter Anmut ließ sich der Mann auf seinem Sessel nieder und legte die Beine auf den Hocker davor. Bryan verstand, dass er entlassen war.
Das Ganze hätte vielleicht gar
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