Das Erdportal - Band 1 - Traumstrand (Das Erdportal - Die Portalwelten) (German Edition)
Am Traumstrand
Nach dem Aufwachen am Strand brauchte Helen einige Stunden, bis es ihr gelang, die Erinnerungen aus zwei verschiedenen Welten, die sich miteinander vermengten, auseinanderzuhalten. Echt und schmerzhaft waren die Bilder aus der Zeit in London. Verwirrend schön waren die Bilder der Unterwasserwelten. Schmerzhaft, wohl deshalb so echt und brutal, traf sie das Bild ihrer Mutter, deren zitternde Hände eine Spritze hielten, die sie sich nun setzte. Dann die irren sich nach innen drehenden Augen. Die blasse immer wächserner werdende Haut.
Seit wie vielen Tagen oder Wochen lebte Helen nun an diesem Strand?
Als sie aufwachte , wusste sie erst nicht, wer sie war, erst recht nicht, wo sie war. Sie lag im weichen weißen Sand eines Strandes. Sie setze sich und sah sich um und versuchte, sich zu orientieren und sich zu erinnern, wie sie an den Strand gekommen war und woher sie gekommen war.
Dann war plötzlich ein Gesicht direkt vor ihren Augen. Es war freundlich aber fremd. Sie kannte es nicht.
Das Gesicht eines Mannes, Mitte oder Ende 20. Er stand über ihr und beugte sich zu ihr runter.
„Du bist wach?“
„Ja.“ Wer war das. Sie kannte ihn nicht.
„Ich bin Paul.“
Er setze sich neben sie in den Sand, ebenfalls mit gekreuzten Beinen. Dann reichte er ihr eine Frucht, wonach sie automatisch griff, dann aber erst einmal ansah. Eine Feige. Aber sie hatte keinen Hunger, auch keinen Durst.
„Und wer bist du?“
Sie dachte darüber nach. Aber ihr Name fiel ihr nicht sofort ein. Ihre Gedanken vertieften sich in schemenhafte Bilder. Erinnerungen an das, was vorher gewesen war und was danach kam, waren an diesem ersten Tag am Traumstrand für Helen schwer auseinanderzuhalten. Besonders unwirklich, schemenhaft und verschwommen die Bilder der Unterwasserwelten mit den Kristall-Sälen. Wasserwelten, in denen Kristallschlösser standen, bewohnt von menschlichen Lebewesen, die sowohl Lungen- als auch Kiemenatmung hatten, die sich schwimmend oder vielmehr tanzend in den weichen Wellen wiegten, Farbenspiele der Korallenblüte, Fischschwärme von bunter Vielfalt. Dazwischen sie selber. Tief unter Wasser bewegte sie sich mühelos gleitend vorwärts, durch Wellen, die Musik erzeugten. Dann Bilder einer Großstadt, dann Landleben. Bildwechsel zur Schule, zu den Klassenkameraden. Was war Traum, was war Wirklichkeit? Auf jeden Fall real waren die Erinnerungen an die Zeit in London in dem Stadthaus ihrer Großmutter, die Sommerferien an der Küste im Landhaus der Großmutter, das letzte Jahr an der Highschool, die Gesichter ihrer zugedröhnten Mutter, das Gesicht des Dealers, der ihr Helen gegenüber so tat, als wäre er ein guter Bekannter der Mutter, aber primär kam, um Stoff zu verkaufen. Und dann ihre, Helens, Versuche, die Mutter von den Drogen abzuhalten.
Natürlich ihr Name war Helen. Helen Troinsker. Dann die Schüsse, Schmerz, Licht, Auflösung, der Flug durch den Lichtstrahl, kurzer Aufenthalt in der Zwischenwelt, wo alles klar und vollkommen war. Jetzt kamen die Bilder der Kristallschlösser in den Wasserwelten, bei denen nun schon wieder ihre Gedanken verweilten, wo es nur Farbenpracht gab, weil Lebensfreude und explodierende Glücksmomente vorherrschten, unterbrochen, jäh zerrissen durch die Frage, was sie an diesen Strand gebracht hatte, ein Strand, der gleichzeitig Paradies und Gefängnis war. Denn der Weg vom Strand weg ins Landesinnere schien zunächst wie durch Zauberei versperrt. Obwohl es keinen Zaun und keine Mauer gab, konnte sie nicht hindurch. Anfangs. Jetzt schon.
Der Weg ins Meer zurück war immer frei für alle und verlockend allein schon durch die schönen Erinnerungen, denn sie hatte sie, wie alle anderen hier am Strand auch, die Kiemenspalten hinter den Ohren, mittels denen sie ewig unter Wasser leben könnte.
„An was erinnerst du dich?“ , fragte der Fremde, der Paul hieß, der immer noch neben ihr saß.
Da sie gerade versuchte, die zeitlich durcheinander wirbelnden Bilder richtig einzuordnen, konnte sie nicht gleich antworten.
Helen, im letzten Highschool -Jahr, im Stadthaus in den Sommerferien, nach dem Tod der Großmutter – sonst wäre sie bei ihr auf dem Land gewesen - musste den Verfall ihrer Mutter mit ansehen. Der Vater hatte sich schon Jahre vorher von der Mutter getrennt und lebte inzwischen mit einer anderen Frau in Kanada. Helen war 17 Jahre alt und hilflos, weil ihre Versuche, der Mutter zu helfen, bei dieser auf Ablehnung stießen und
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