Das Erste Horn: Das Geheimnis von Askir 1 (German Edition)
war schon eine Zeit lang hier und hatte die Absicht, hier den Winter zu verbringen. Ohne die Söldner wäre dies ein angenehmer Plan gewesen, vielleicht hätte ich auch die Gunst einer der Töchter gewinnen können. Kaum etwas wärmte einem die alten Knochen so gut wie eine junge Frau.
Die Tür zum Turm war nicht verschlossen. Ich musterte sie eingehend. Es war eine schwere Eichentür, mit Stahlbändern verstärkt und, soviel ich wusste, der einzige Zugang zum Turm. Vom Gastraum aus führte nur ein schmaler Gang hierher, so dass man kaum eine Ramme verwenden konnte, um die Tür einzuschlagen. Die Tür selbst war oben und unten im Stein verzapft. Ungewöhnlich war auch das schwere Schloss; selten sah man Derartiges an abgelegenen Orten wie diesem. Es erschien mir alt, aber mit großem Geschick gefertigt. Dieses Schloss war nicht das Einzige, was die Insassen des Turms zu schützen vermochte: Der innen liegende Riegel bestand aus solidem Stahl, so schwer, dass man vermutlich zwei Männer brauchte, um ihn vorzulegen. Oder einen, wenn er nur verzweifelt genug war.
Wir tauschten einen Blick, Lea und ich. Der Stein des Turms war mehr als angemessen für seine Aufgabe, etwa die doppelte Breite eines erwachsenen Mannes, gut und sauber verfugt. Wer auch immer den Turm gebaut hatte, wusste, was er tat, der Stein hatte sich so gut wie gar nicht gesetzt, und die Fugen zwischen dem Stein waren zu fein, um die Klinge eines Dolches einzuführen.
Durch die stabile Tür gelangten wir in den unteren Raum des Turms. Eine steile Leiter führte zum nächsten Stockwerk, höher über unseren Köpfen als üblich. Eine Festung war das nicht, aber mit den bescheidenen Mitteln, die einem Gasthof zur Verfügung standen, hatte jemand auch daran gedacht.
Lea berührte mich mit ihrer Hand und wies mich auf den Fuß der Leiter hin.
Die Sprossen waren ausgetreten, die Leiter selbst ziemlich massiv. An den Seiten waren noch die eisernen Ringe zu erkennen, durch die einst ein Seil nach oben geführt hatte. Schon vor langer Zeit hatte jemand die Leiter mit groben Zargen im Boden befestigt, vielleicht hatte sie ihm zu sehr gewackelt. Sollte jemand danach trachten, diesen Raum zu erstürmen, war es nicht mehr möglich, die Leiter nach oben zu ziehen, auch wenn der Baumeister es einst so beabsichtigt hatte.
Hinter der Leiter führte eine offene Falltür in den Keller. Ich warf nur einen kurzen Blick hinein; er zeigte mir den Keller voller Säcke und Fässer mit versiegelten Spundlöchern: Vorrat für den Winter war wohl genug vorhanden.
Im ersten Stock fanden wir die Quartiere des Wirts, drei kleine Zimmer, eines für ihn, eines, das ihm wohl als Arbeitszimmer diente, und eines für seine drei Töchter, alle an den Kamin angrenzend, an welchem sich die Wendeltreppe nach oben anlehnte.
Wir hörten Schritte unter uns, tauschten einen weiteren Blick und wichen an die Wände zurück. Wer auch immer die steile Stiege heraufkam, würde mich sehen und Leandra im Rücken haben.
Es war nur der Wirt, gekommen, um sein Bett abzubauen. Er sah mich ängstlich an.
»Guter Mann, wir wollen nur auf den Turmfried, einen Blick auf das Wetter werfen.«
»Dies sind meine privaten Räume. Ich erlaube … ich möchte nicht, dass sich Gäste hier aufhalten.«
»Ich verstehe. Aber wir verfolgen keine üble Absicht. Sagt, guter Mann, habt Ihr vielleicht irgendwo zweimal dreißig Fuß an Seil, das die Last eines Ochsen tragen könnte?«
Verunsichert nickte er. Mit dieser Frage hatte er nicht gerechnet. »Ja, sicherlich. Im Stall müsste so etwas zu finden sein. Warum?«
Ich fuhr mit der Hand über die hölzerne Winde, die hinter mir, gegenüber der stabilen Falltür, welche den Aufgang verschließen konnte, an die Wand montiert war. Sie war alt, das Holz schon gedunkelt, und hier und da hatten sich Spinnweben angesammelt. Aber ich hegte keinen Zweifel daran, dass sie noch funktionierte.
»Es wäre vielleicht von Vorteil, wenn man die Stiege hinaufziehen könnte.« Ich sah, wie sein Blick meiner Hand folgte, die Stiege und die Winde musterte und dann erschreckt zu mir zurückkehrte. Seine Augen weiteten sich, als er sich der Bedeutung meiner Worte bewusst wurde.
»Meint Ihr, es wird dazu kommen?«, fragte er.
»Vielleicht. Vielleicht opfern sich auch Eure Töchter.« Lea gab einen erbosten Laut von sich. Ich sah zu ihr hinüber, und ihre Augen funkelten wieder.
»Ich würde das nicht wollen.« Die Stimme des Wirts war leise. Ich konnte ihn verstehen. Hätte ich
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