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Das ewige Leben

Das ewige Leben

Titel: Das ewige Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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genau diese Ader gestreift hat.
    Der Brenner hat sich an die Stirn getippt, dorthin, wo er immer noch den Verband gehabt hat, aber gemeint hat er natürlich nicht den Verband und auch nicht das Einschussloch darunter, sondern den Vogel vom Psychiater.
    »Das ist Ihr Problem«, hat der Brenner gesagt.
    Ich glaube, nicht einmal, wenn er ein Ohrläppchen gehabt hätte, hätte der Psychiater damit gewackelt, aber so sind seine Verbrecherohren natürlich vollkommen ruhig geblieben, quasi: Solche Antworten kenne ich schon von meinen Suizid-Pappenheimern.
    »Es ist keine Seltenheit, dass die Art des Suizids entsprechend einem chronischen Leiden gewählt wird, Herr Brenner.«
    »Wenn ich mich umbringen will, dann weiß ich, wo ich hinschießen muss«, hat der Brenner ebenfalls zum hundertsten Mal gesagt, weil er hat gehofft, irgendwann geht es beim Dr. Bonati vielleicht doch hinein in den Schädel.
    »In Ihrem Abschiedsbrief haben Sie die Migräne, die Sie seit Ihrer Heimkehr nach Graz plagte, ja auch eigens erwähnt.«
    Der Brenner hat dem Psychiater auf die Stelle an seiner Verbrecherstirn gestarrt, wo er ihm gern einen Schusskanal gemacht hätte. Aber es hat nichts genützt, nicht einmal die besten asiatischen Mönche bringen mit Blicken einen Schusskanal zusammen, und der Brenner schon gar nicht. Und seine alte Walther, mit der er sich angeblich selber hineingeschossen hat, war ja gut verwahrt, angeblich, damit er es nicht noch einmal tut. Und das Operationsmesser, das er aus Angst vor der Grazer Kripo schon ein paar Tage nach dem Erwachen gestohlen hat, ist gut versteckt in seinem Zimmer gelegen. Jetzt, was macht man, wenn man seine Walther und sein Operationsmesser nicht dabei hat, und ein anderer lügt etwas von einem Abschiedsbrief daher?
    Nichts. Das ist die wichtigste Lehre, die uns das Leben gibt. Ohne Pistole, ohne Messer kannst du die meisten Situationen nicht zu deinen Gunsten verändern. Und da verfallen ja viele in der Verzweiflung auf die Idee, dass sie es in so einer Situation mit Worten versuchen. Das ist der größte Fehler, den du machen kannst. Weil von den Polizeiverhören hat der Brenner ganz genau gewusst, dass es für den Verdächtigen immer besser ist, wenn er nichts sagt. Kein Wort. Und wenn du als Verdächtiger noch so eine gute Antwort hast. Du musst sie für dich behalten. Weil altes Gaunersprichwort: Wer redet, bleibt. Wer schweigt, geht.
    »Was ist mit Ihnen?«, hat der Dr. Bonati langsam die Geduld verloren.
    Aber der Brenner kein Wort. Wer redet, bleibt. Wer schweigt, geht.
    Einmal hat ihn ein Mordverdächtiger mit seinem tagelangen Schweigen sogar so gereizt, dass ihm die Zigarette ausgekommen ist. Ich möchte betonen, ein einziges Mal in neunzehn Jahren, da gibt es weitaus Schlimmere, aber trotzdem, so etwas ist keine schöne Erinnerung. Und auch wenn das jetzt schon dreimal verjährt war, es war dem Brenner immer noch zuwider, dass er das damals getan hat.
    Noch dazu, wo sich dann herausgestellt hat, dass der gar nicht der Mörder war, aber so ein Pech musst du einmal haben, weil zufällig dieselbe Haarfarbe wie der Mörder. Eines muss ich schon sagen, da kriegst du ein paar Erinnerungen zusammen, wenn du zu lange in diesem Beruf gearbeitet hast. Und seit er in seine Heimatstadt zurück ist, hat es ihm alle möglichen, längst vergessenen Erinnerungen wieder heraufgespült. Im Grunde wäre da ein Abschiedsbrief nicht so unverständlich, quasi Abschied von diesen Erinnerungen, deshalb darf man dem Dr. Bonati nicht böse sein, dass der das so gesehen hat.
    »Ihr Mieter hat den Schuss gehört, ist zu Ihnen hinuntergerannt und hat Sie mit der Waffe in der Hand gefunden. Und wenn der nicht so geistesgegenwärtig gewesen wäre, dass er Sie einfach die zweihundert Meter zu uns herübergeliefert hat statt in das UKH, wo Sie eigentlich hingehört hätten, wären Sie bestimmt nicht mehr aufgewacht.«
    »Das ist nicht mein Mieter.«
    Das war natürlich schon sein erster Fehler. Natürlich war es in dem Sinn nicht sein Mieter, weil der hat das Mansardenzimmer ja schon bewohnt, wie der Brenner ein Kind war, und immer so still, dass die Großmutter ihn »Hausgeist« genannt hat. Der Fehler war, dass der Brenner überhaupt geantwortet hat. Weil jetzt hat er auch noch gesagt: »Waffe in der Hand ist ein Hinweis, dass es kein Selbstmord war.«
    Im selben Moment hat er sich schon geärgert, dass er dem Dr. Bonati doch noch auf den Leim gegangen ist und geantwortet hat. Geredet, nicht geschwiegen. Das ist

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