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Das ewige Leben

Das ewige Leben

Titel: Das ewige Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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hinaus-und langsam, aber sicher mitten in die Hölle hineingezogen hat.
     

17
    Aber nicht dass du glaubst, die Frau Marie hat mit der Walther geschossen. Im Gegenteil, die Frau Marie ist selber am meisten erschrocken, wie dem Brenner auf einmal das Blut aus dem Mund gekommen ist.
    Schau, wenn du dir heute im besten Geschäft einen Anzug um deinen ganzen Monatslohn kaufst, dann kannst du darauf wetten, dass dir schon am ersten Tag irgendwo eine Naht aufgeht. Das ist fürchterlich, aber du kannst dich mit einem trösten. Es ist nicht so schlimm, wie wenn dir im Kopf eine Naht aufgeht. Weil das hat der Brenner gerade erlebt, er hat es selber noch nicht gewusst, dass ihm gerade die Naht aufgesprungen ist, er hat nur das Blut im Mund geschmeckt, weil das ist genau wie mit der Erde, die ihre Durchlässigkeit hat, wo eine Gartenschaufel ein Stück eindringen kann, wo ein Regenwurm sich seinen Weg bahnt, wo ein Wasser tief hinuntersickern kann, genauso hat auch der menschliche Kopf seine Verbindungsgänge, und da kann dir weit oben hinter dem Aug die Naht aufgehen, aber das Blut sickert durch die Schichten, und auf einmal schmeckst du es im Mund.
    Gott sei Dank hat der Notarzt, den die Frau Marie sofort gerufen hat, aus der Zeitung gewusst, wer den Brenner operiert hat. Jetzt ist er mit ihm nicht in das Unfallkrankenhaus gefahren, und das hat dem Brenner vielleicht das Leben gerettet. Weil dreißig Stunden später ist er in Punti-gam links schon wieder aufgewacht.
    Und ob du es glaubst oder nicht. Beim Aufwachen hat der Brenner eine sehr schöne Musik gehört. Aber nicht Melodie in seinem Kopf, quasi Ohrwurm. Weil du kannst auch einmal in der Sigmund-Freud-Kinik aufwachen, und die Musik, die du hörst, hat nichts mit deinem Unbewussten zu tun, sondern ganz normale Musik, die durch das offene Fenster hereinkommt.
    Du musst wissen, die Sigmund-Freud-Klinik ist nur durch die Bahnlinie vom Grazer Zentralfriedhof getrennt. Und von dort hat er einen Trauermarsch herübergehört. Das kommt ganz auf den Wind darauf an, an manchen Tagen höre ich auch Musik vom Friedhof zu mir herüber, und jetzt hat der Wind die Musik eben zum Brenner in die Klinik hinübergetragen.
    Da hat er natürlich noch nicht wissen können, dass er ausgerechnet in dem Moment aufgewacht ist, wo sie drüben mit einem großen Ehrentamtam den Brigadier Aschenbrenner eingegraben haben.
     

18
    Ich muss ganz ehrlich sagen, viel Besuch hat der Brenner auch dieses Mal nicht bekommen.
    Nicht besucht hat ihn der Köck, nicht besucht hat ihn der Aschenbrenner, nicht besucht hat ihn der Saarinen. Weil alte Regel: Tote machen nicht gern Krankenbesuche. Nicht besucht hat ihn der Arnold Schwarzenegger, weil erstens weiter Weg, und zweitens: Eine Ohrfeige, die man mit Sechzehn von einem Dreizehnjährigen gekriegt hat, kann man nicht verzeihen.
    Jetzt wer war der verkleidete Besuch, der ihn so aufgeregt hat? Pass auf, die Soili hat ihn besucht. Außerhalb der Besuchszeit ist sie gekommen, und er hat sie sofort erkannt, obwohl sie diesen Hut mit Trauerschleier getragen hat. Aber nicht dass du glaubst, Trauerschleier aus Trauer um ihren Mann. Sondern Trauerschleier aus Angst vor ihrem Liebhaber.
    So hat der Brenner erfahren, dass die Soili sich gleich, nachdem sie den Köck erschossen hat, der Polizei stellen wollte. Du musst wissen, ausgeklügelte Mordfälle kommen selten vor. Meistens bringen Männer ihre Frauen um, ohne Plan, nur aus einer spontanen Gefühlsregung heraus. Aber es kann auch einmal eine Frau den Mann umbringen, der ihren Vater auf dem Gewissen hat.
    Meistens rennen diese Täter gleich weinend zur Polizei, und da bist du als Kripobeamter oft mehr Seelentröster als sonst was, weil Mörder meistens hochsensibel, und die brauchen ihr Geständnis möglichst gleich nach der Tat.
    Und bei der Soili war es nur deshalb ein bisschen verzögert, weil sie die Kripo im eigenen Haus gehabt hat. Nicht nur der Mann bei der Kripo, auch der Geliebte bei der Kripo. Jetzt gibt es eine menschliche Regel, die man nirgends so gut studieren kann wie beim Mopedfahren. Beim Mitfahren hat man viel mehr Angst als beim Selber-fahren. Vorne glaubt man noch, dass man die Situation im Griff hat, wo man sich am Rücksitz schon dreimal anscheißt.
    Und beim Gefängnis ist das genauso. Selber stellt man sich ohne weiteres, man rennt zur Polizei und sagt: Da habt ihr mich, macht mit mir, was ihr wollt. Und sogar eine gewisse Erleichterung, weil endlich nicht mehr zuständig für das eigene

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