Das ewige Lied - Fantasy-Roman
hieß das, eine lange Wartezeit in Kauf nehmen zu müssen. Diese Umstände waren der Grund gewesen, aus dem Jayel bis jetzt immer mit ihrem Vater oder jemand anderem zusammen geritten war: erstens ging es schneller und zweitens war man auf niemanden angewiesen. Die Strecke zwischen den beiden Städten galt als sicher. Es gab kaum Raubüberfälle oder Gesindel, das die Reisenden belästigte. Und in jedem dritten Weiler auf der Strecke gab es einen kleinen Gasthof, in dem man die Nacht verbringen konnte. Dort rasteten auch die Gäste der Kutsche.
Dieses Mal jedoch waren Peer und Grat Ysternas mit wichtigen Geschäften belastet, die sie unabkömmlich machten. Und dem alten Diener Chrisofus konnte man einen so langen Ritt mittlerweile nicht mehr zumuten. Der einzige Weg für Jayel, rechtzeitig zu ihren Abschlussprüfungen in die Stadt zu kommen, bestand darin, sich der Kutsche anzuschließen.
Die Kutsche fuhr direkt vor den Toren der Stadt los, und hier versammelten sich die Reisenden. Peer Ysternas hatte sich immerhin die Zeit genommen, seine Tochter zur Kutsche zu begleiten. Momentan hievte er die schwere Reisetruhe von Jayel auf das Dach der Kutsche, wo sie transportiert werden sollte. Währenddessen sah sich Jayel unauffällig ihre Reisegenossen an. Es waren derer nicht viele: ein dicker Großgrundbesitzer mit seiner dürren Frau, die in feinste Seide gekleidet war und ein höchst unzufriedenes Gesicht machte. Die beiden würden wohl in der Kutsche reisen. Ein älterer Mann hingegen saß bereits auf seinem Pferd; wahrscheinlich wollte er neben der Kutsche reiten, wie es auch Jayel vorhatte. Allein wäre er sicherlich schneller gewesen, aber seine schmollende kleine Tochter, die vielleicht dreizehn Sommer zählte, fuhr in der Kutsche mit, und er wollte sie wohl nicht allein reisen lassen. Jayel beobachtete das kleine blonde Mädchen, das gerade von einer heulenden Frau fast erdrückt wurde – ihre Mutter, wie es schien.
„Jasmina, pass nur gut auf dich auf!“, schluchzte die Frau und ließ die Kleine los, um sich in eine großes, geblümtes Taschentuch zu schneuzen. „Ja Mama“, sagte Jasmina.
„Und hör immer gut auf Papa während der Reise!“
„Ja, Mama“, wiederholte Jasmina automatisch mit stierem Blick auf die Kutsche.
„Und betrage dich anständig im Internat!“
„Ist gut, Mama“, kam die Antwort.
„Wissen Sie“, wandte sich Jasminas Mutter stolz an Jayel, „meine Kleine kommt nämlich nach Farseth auf die Schule für höhere Töchter. Sie kann sich hier nicht richtig entwickeln, sagt ihr Hauslehrer. Und auf der Schule für höhere Töchter wird sie eine wunderbare Ausbildung erhalten!“
„Was Sie nicht sagen“, erwiderte Jayel höflich.
„Ja, und jetzt mache ich mir solche Soooorgen!“, sagte Jasminas Mutter und schneuzte wieder in ihr Taschentuch. „Jasmina ist ja so ein sensibles Kind. Und so scheu und schüchtern. Sie wird sicher Angst haben in der großen Stadt…“
„Sie wird sich schon bald eingelebt haben, Martha“, sagte nun Jasmins Vater, der dem Kutscher soeben den Preis für die Fahrt bezahlt hatte.
„Das sagst du so leicht, Ulberich. Und wenn nicht? Dann ist sie soooo weit weg! (Schnüff, schneuz) Aber du schreibst mir sofort, wenn du angekommen bist, nicht wahr, Jasmina?“
„Martha! Da bin ich doch noch bei ihr!“
„Ja, Mama!“
Jayel schlich sich verstohlen von der Abschiedsszene davon und ging zu ihrem Vater, der gerade den Kutscher bezahlte. „Was für ein Glück, dass Jasminas Mutter nicht mitfährt…“, sagte sie leise.
Peer hörte ihre Worte. „Oh, Frau Haardung ist eine sehr nette Frau“, sagte er, „und denk daran, wie sich deine Mutter zuerst angestellt hat.“ Jayel schauderte. Daran wollte sie gar nicht zurückdenken. Ihr Vater hatte mittlerweile den geschäftlichen Teil erledigt und gab Jayel einen kleinen Lederbeutel. „Hier ist das Geld für die Gasthäuser unterwegs. Wenn noch etwas übrig bleibt, kaufe dir etwas Schönes in Farseth. Viel Glück bei deinen Prüfungen, Kind.“
„Danke, Vater!“, sagte Jayel und umarmte ihn zum Abschied. Der Kutscher hatte den Kutschbock bestiegen und rief die Reisenden dazu auf, einzusteigen oder sich zur Abreise bereit zu machen.
Jayel bestieg ihren Rappen Konstantius. Zum Glück waren die Kleider einer Bardin, auch einer Schülerin, für das Reiten zugeschnitten. Unter der braunen Kutte trug Jayel Reithosen in ebensolcher Farbe, und als traditionelles Bardengewand galt diese Kleidung auch
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