Mein wunderbarer Brautsalon
1. Kapitel
Christoph
Wenn der schönste Tag im Leben einer Frau der ist, an dem sie heiratet – dann frage ich mich manchmal, warum die meisten so erpicht darauf sind. Ich meine, ist doch klar: Nach dem schönsten Tag im Leben kann es schließlich nur noch abwärts gehen.
Aber das ist männliche Logik. Und mit männlicher Logik haben die meisten Frauen nicht viel am Hut. Was aber auch ganz gut so ist, denn sonst hätte ich ein ziemliches Problem. Weil ich nämlich darauf angewiesen bin, auf diesen schönsten Tag im Leben einer Frau. »Brautsalon Hübner« heißt mein Geschäft mitten in der Hamburger Innenstadt, und ich kann mit Stolz behaupten, dass es wohl kaum eine Frau gibt, die nicht in meinen Laden kommt, wenn sie heiraten möchte. Das heißt nicht, dass alle Hamburger Bräute bei mir kaufen, so anmaßend möchte ich nicht sein – aber zum Gucken kommen sie fast alle.
Eddy K., Demetrios, Miss Kelly, Lohrengel, Sincerity, Isabel de Mestre, Valérie, Très Chic und Basics – wir haben alles, was bei Hochzeitskleidern gerade angesagt ist. Dazu Accessoires wie Reifröcke, Schleier oder Handschuhe von Weise, Achberger und Speierer, bei den Schuhen verkaufen wir hauptsächlich Doriani oder Sophie Sposa, für Herren führen wir Anzüge von Masterhand. Ich achte eben auf Qualität, und das hat sich mittlerweile herumgesprochen. Noch viel lieber würde ich allerdings
meine eigene Kollektion schneidern, aber dazu ist es aus verschiedenen Gründen nie gekommen. Aber wer weiß, vielleicht, eines Tages …
Die meisten Leute sind immer etwas irritiert, wenn ich ihnen erzähle, was ich beruflich mache. Wie kommt ein fünfunddreißigähriger Mann dazu, ausgerechnet ein Geschäft für Brautmoden zu führen? Ich lächele nur freundlich, wenn man mir diese Frage stellt, und erwidere, dass es doch wohl nichts Schöneres gibt, als ständig von glücklichen, aufgeregten Frauen umgeben zu sein. Und das entspricht der Wahrheit. Denn auch wenn ich persönlich nicht viel vom Heiraten halte, ist das Verkaufen von Brautkleidern meine ganze Passion.
Eine Frau, die in Jeans und Pullover meinen Laden betritt, ist meistens noch eine ganz normale Frau. Aber wenn sie dann mit Hilfe meiner Großmutter oder meiner Angestellten Britta in eines der Kleider schlüpft, wenn sie zum ersten Mal ganz in Weiß in einem Traum aus Satin und Organza vor dem großen Spiegel steht – dann verwandelt sie sich. Ihre Haut wirkt auf einmal rosig, schimmert wie Seide, ihre Augen strahlen, und auf ihr Gesicht tritt ein Lächeln, das jeden Mann tief ins Herz trifft. Und dann, wenn der Schleier aufgesteckt wird, kommen meistens die Tränen. Die Tränen des Glücks und der Rührung, die unfassbare Freude darüber, dass sie genau so aussieht, wie sie es sich als kleines Mädchen immer vorgestellt hat. Sie dreht sich ungläubig hin und her, lässt den weiten Reifrock um ihre Beine schwingen und wirkt dabei wie eine zerbrechliche Prinzessin – selbst wenn sie Kleidergröße 56 hat.
Nein, ich glaube wirklich nicht, dass eine Frau jemals zauberhafter aussehen kann, als wenn sie sich darauf vorbereitet, eine Braut zu sein. Und ich darf diese unglaubliche Verwandlung immer wieder miterleben, Tag für Tag, von morgens bis abends. Und mich dabei in Träumereien verlieren … Dass ich derjenige bin, der sie so zum Strahlen bringt, dass sie zu mir ja gesagt hat, dass sie sich auf ein Leben mit mir freut. Oder dass sie die Hochzeit einfach sausen ließe, wenn ich nur hinter sie träte, mein Gesicht ganz dicht an ihre samtweiche Wange legen und ihr ein »komm mit mir« ins Ohr flüstern würde.
Natürlich sind das nur Spinnereien, denn wenn es einen denkbar schlechten Ort gibt, um sich in eine Frau zu verlieben, dann ist das wohl mein Geschäft.
Der schönste Tag des Lebens. Während ich im Lager die neue Lieferung in Augenschein nehme und überprüfe, ob die Ware auch in Ordnung ist, muss ich plötzlich an den schönsten Tag meines Lebens denken. Der gleichzeitig als der furchtbarste endete. Vor fast genau zwölf Jahren. Nach langen 365 Tagen abzüglich ein bisschen Urlaub hatte ich endlich meinen Grundwehrdienst in Schleswig abgeschlossen und verließ bestens gelaunt die Kaserne »Auf der Freiheit« – ein Name, der mir rückblickend betrachtet noch immer absurd erscheint. Meine Bundeswehrkollegen machten sich auf den Weg zum Bahnhof, um den Zug Richtung Hamburg zu nehmen und ein letztes Mal im Abteil zu feiern, aber ich hatte keinen Bock, zusammen mit ihnen
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