Das ewige Lied - Fantasy-Roman
dabei unglücklicherweise auf die Hand. Mit einem Schmerzensschrei ließ Daphnus los und rollte weiter die Treppen hinab. Kurz bevor er über den Abgrund rutschen konnte, hatte ihn Tiark gepackt und zog ihn wieder hinauf.
„Ihr müsst etwas vorsichtiger sein!“, brummte Kolpe ungerührt und trat durch die offene Tür. Der junge Magier rappelte sich auf und wischte sich mit seinem Taschentuch den Schweiß von der Stirn. Er warf Jayel einen vorwurfsvollen Blick zu. „Irgendwann schafft sie es noch...“, murmelte er empört, während er an ihr vorbei durch die Tür trat.
Jayel sah ihm mit schlechtem Gewissen nach und blickte dann noch einmal über den Rand der Treppe hinab in den Abgrund. „Das wäre wirklich tief gewesen...“, murmelte sie und folgte dann ihren Reisegenossen und den Erdmenschen ins Innere des Turmes.
Vor der Bardin öffnete sich ein riesiger Raum, der den letzten Teil des riesigen Tropfsteins zur Decke hin ausfüllen musste. Der gigantische Saal durchmaß sicherlich 100 Schritt, und in die Höhe erstreckte er sich noch einmal über das Doppelte. Er war, der Form der Felssäule folgend, kreisrund; in der Mitte befand sich ein etwa 20 Schritt durchmessender freier Platz, um den herum sich Sitzreihen bis zur Decke ansteigend erhoben. Alle Plätze waren besetzt; viele Erdmenschen blickten den Eintretenden ernst und fragend entgegen. Jayel fühlte sich wie einer jener berüchtigten Söldnerkämpfer des Südens, der eine Arena zum Kampf auf Leben und Tod betrat, denn das unterdrückte Gemurmel verstummte sofort und ein gespanntes Schweigen schlug ihr entgegen. Jayel blieb unwillkürlich stehen, doch Kolpe packte sie etwas unsanft am Oberarm und drängte sie weiter, genau zum zentralen Platz des Saales hin, wo schon Daphnus und Kallabul standen und sich etwas unbehaglich umsahen.
Nachdem er Jayel zwischen den beiden platziert hatte, trat Kolpe in die Mitte und breitete die Arme aus.
„Rat von Terria“, rief er so laut, dass seine Stimme kräftig durch den gesamten Saal schallte, „Vertreter der Erdmenschen. Hört mich an. Wir haben Besucher...“
„Das sehen wir, Kolpe“, wurde er von einem grauhaarigen Alten in der zweiten Reihe unterbrochen. „Es ist lange her, dass ein Mensch diesen Ort betreten hat. Und selbst ich, der ich fast 450 Jahreszeitenwechsel gesehen habe, kann mich nicht daran erinnern, hier jemals einen Aquanten getroffen zu haben. Warum habt Ihr den Fremden erlaubt, unser Reich zu betreten?“ Zustimmendes Gemurmel erhob sich, und viele fragende und nicht gerade freundliche Blicke wurden in Richtung der Reisenden geworfen.
Jayel sah sich vorsichtig um. Sie hatte bisher nichts über das Volk der Erdmenschen gelernt, denn es galt als menschenscheu und zurückgezogen, zudem wurde seine Existenz von den meisten Menschen als reine Legende abgetan. So wusste sie nun nicht, wie sie am besten reagieren sollte. Erwartete man von ihr, sich zu verteidigen, sich zu rechtfertigen? Sollte sie als offizielle Botin der Kaiserin auftreten? Jayel beschloss, sich erst einmal zurückzuhalten und Kolpe reden zu lassen, denn dieser ergriff bereits wieder das Wort: „Es hat seinen Grund, warum ich sie mit hierher brachte. Ihr alle kennt die alten Prophezeiungen...“ Unruhe breitete sich im Saal aus. Jayel bemerkte, dass diesmal besonders sie mit Blicken bedacht wurde, die jedoch nicht mehr so feindlich erschienen wie zuvor. Als freundlich konnte man sie allerdings auch nicht direkt bezeichnen. Doch Jayel fragte sich, ob so etwas wie Freundlichkeit in diesem unwirschen Volk überhaupt existierte.
„Alle Zeichen der Prophezeiung sind eingetroffen!“, fuhr Kolpe fort. „Die vier Elemente sind bedroht durch den Hass. Ihr wisst was bei uns geschehen ist...“ Kolpe schwieg bedeutungsvoll, und auch die meisten Zuhörer senkten betroffen den Blick, „...und ich hörte, dass es den anderen Völkern ähnlich erging.“ Er wandte sich zu Kallabul um: „Aquant, sprich! Erzähle dem Rat von der Bedrohung Aquiens!“
Kallabul begann ohne zu zögern: „Hasserfüllte Magie ist die Ursache dafür, dass ein Teil des Meeres stirbt – Fische, Pflanzen, auch wir, wenn wir zu lange dort verweilen. Der Blutstein, der dies alles verursacht, breitet sich immer weiter aus.“ Jayel erinnerte sich an die Geschichte, die ihnen der junge Fluidos-Priester erzählt hatte, und begann zu schaudern.
Kolpe jedoch nickte zustimmend und erhob wieder die Stimme: „Wie wir hören konnten, hat es also nicht nur uns
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