Das ewige Lied - Fantasy-Roman
Freunde, Nachbarn, manchmal sogar Verwandte. Alle, die angeblich nicht mehr den wahren Glauben hatten, kamen in die Mutterhöhle. Dort gab man ihnen von dem Trank. Sie starben. Tausende von ihnen...“, fügte Tiark leise hinzu. Seine Zuhörer schwiegen entsetzt. „Als meine Vorfahren erkannten, was geschehen war“, fuhr Tiark fort, „wurden sie sehr wütend. Aber Rhelit und seine Anhänger waren fanatisch in ihrem Glauben, unbeirrbar in ihrem Hass. Sie zogen sich in die Mutterhöhle zurück und nahmen ebenfalls von dem Mittel, um zu beweisen, dass die wahren Gläubigen in ihrem Glauben gestärkt würden. Sie starben nicht...“
„...sondern verwandelten sich in diese Monster“, schlussfolgerte Jayel.
Tiark nickte. „Ihr seid die Einzigen der Oberwelt, die davon wissen“, sagte er, „bei uns wird nicht darüber gesprochen. Doch diese Schattenwesen lauern immer noch in den dunklen Gängen unserer Welt. Immer wieder greifen sie uns an. Und wen sie in den Fängen haben, der wird einer von ihnen.“
Die Gefährten schwiegen eine Weile. Dann fragte Daphnus: „Und in der Prophezeiung wird davon gesprochen?“
Tiark nickte: „Wie in dem Lied, das Jayel gesungen hat: Eines Tages wird der Hass sich auf der Welt verbreiten, bei jedem Volk auf eine andere Weise.“
„Eines Tages wird einer kommen, der den Hass auf der Welt verstreut“, zitierte Jayel beklommen. „Aber wer ist dieser eine?“
„Wer das beantworten kann“, meinte Kallabul, „kennt wahrscheinlich auch den Namen des Auserwählten, der die Völker vereint. Es ist müßig, jetzt darüber nachzudenken. Wir haben Wichtigeres zu tun.“
Jayel blickte auf und erinnerte sich erst jetzt daran, wo sie waren. „Ja, das Kristall muss hier irgendwo sein“, sagte sie und sah sich um.
Die steinerne Insel war nicht sonderlich groß; sie mochte etwa hundert Schritt durchmessen. Sie bestand aus dem gleichen braunen Gestein wie der Rest der Schulter des Riesen, außer ein paar felsigen Brocken war nichts darauf zu finden. In der Mitte erhob sich ein Felsplateau, auf das die Freunde nicht hinaufsehen konnten, doch an den Seiten des Plateaus waren Stufen in den Fels gehauen. „Lasst uns hinaufsteigen!“, sagte Jayel und machte sich auf den Weg. Die anderen folgten ohne zu zögern.
Oben angekommen erblickte Jayel einen steinernen Altar in der Mitte des Plateaus. In den Boden um den Altar herum und auf seiner Fläche waren geheimnisvolle Symbole eingeritzt, mit denen auch Tiark nichts anfangen konnte.
Mitten auf dem Altar lag braun leuchtend der Erdkristall.
Langsam und vorsichtig ging Jayel darauf zu. „Sei vorsichtig, das könnte eine Falle sein!“, warnte Tiark.
Jayel ging jedoch langsam weiter, Daphnus und Kallabul folgten ihr.
„Na schön, geht doch, mich fragt ja keiner!“, murrte Tiark und verschränkte die Arme vor der Brust. Jayel hatte indes den Altar erreicht und blieb vor dem Erdkristall stehen. Kallabul trat neben sie, während Daphnus sich vor dem Altar hinhockte, um die Symbole genauer zu untersuchen. Vorsichtig streckte Jayel ihre Hände nach dem Kristall aus.
„Ich finde, Ihr solltet ihn nicht einfach so anfassen“, meldete sich Tiark aus der letzten Reihe. Jayel schüttelte jedoch abwehrend den Kopf und ergriff den Kristall. Er fühlte sich warm und pulsierend an wie warme Erde an einem heißen Tag. Sie hob den Kristall auf und hielt die Luft an. Nichts passierte.
„Siehst du, es ist keine Falle“, sagte Jayel und verstaute den neugewonnenen Schatz in ihrem Rucksack.
In diesem Moment knirschte es hinter ihnen. Kallabul und Jayel fuhren herum, Daphnus sprang auf. Unter Tiark brachen zunächst die Symbole des Felsplateaus weg, schließlich der ganze Boden. „Ich hab es doch gesagt“, fauchte der Erdmensch, ehe er in die Tiefe stürzte.
Die drei anderen sahen sich an. „Jayel hat ein neues Opfer gefunden“, meinte Daphnus. In diesem Moment brach auch unter ihm der Boden weg, und er rutschte in die Tiefe. Kallabul und Jayel sahen sich an, doch im nächsten Moment verloren auch sie den Boden unter den Füßen.
Jayel schrie, während sie neben Kallabul eine gigantische Steinwand hinunterkollerte. Das Beängstigende war, dass sie absolut nichts sah, um sie herum herrschte undurchdringliche Schwärze, und nur das Aufschlagen von Gesteinsbrocken und das Keuchen und Schreien der anderen ließ sie erahnen, was um sie herum vorging. Schließlich endete die Rutschpartie ziemlich abrupt; der Aufprall war nicht so hart, wie Jayel
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