Das ewige Lied - Fantasy-Roman
jedoch durch die Fackeln rasch verscheucht werden konnte. Tiark hatte davor gewarnt, daß diese Tiere sehr giftig seien, und Jayel blickte dem zischenden Insekt misstrauisch nach, als es in einem der dunklen Gänge verschwand. Der Leib der Spinne war immerhin so groß wie zwei Fäuste gewesen, und die seltsame Anordnung der Beine vermochte in der Bardin auch nicht gerade zärtliche Gefühle für das Tier zu wecken: drei mal drei Beine waren an drei Seiten des Spinnenkörpers angeordnet, die vielen Augen saßen auf dem Rücken des Tieres. Jayel war froh, daß die Spinne so leicht in die Flucht geschlagen werden konnte, und sie hoffte, dass es das einzige Exemplar bleiben würde, daß ihnen begegnete.
Noch zweimal legten sie Rast ein, und langsam gingen ihre Wasservorräte zu Ende, was vor allem Kallabul sichtlich nervös machte. Obwohl er mit der Elementarkugel sehr gut an Land überleben konnte, musste er doch häufig Kontakt mit seinem Element haben und wusch sich viermal am Tag gründlich. Außerdem trank er fast doppelt so viel wie der Erdmensch und die beiden Menschen. Tiark beruhigte ihn jedoch: „Es ist nicht mehr weit. Nach der Karte müssten wir die große Höhle heute noch erreichen.“ So zogen sie wieder los.
Nach einigen Stunden wurde Tiark immer aufgeregter. „Gleich ... gleich müssten wir sie sehen können!“ Und er hatte recht: Wenig später konnten sie sehen, dass sich der Gang vor ihnen langsam zu einer großen Höhle öffnete. Sie begannen, schneller zu laufen.
Als sie die Höhle erreichten, blieben sie wie angewurzelt stehen. Vor ihnen erstreckte sich ein riesiger Raum. Er war beinahe doppelt so groß, wie die Wohnhöhle der Erdmenschen. An der Decke tummelten sich die ihnen bereits bekannten Leuchtkäfer und tauchten die Höhle in ein seidiges blaues Licht, so dass die Wände, die sich wie die eines Tempels hoch über ihnen zu einer Kuppel wölbten, fast wie Glas wirkten. Ein silbrigblauer See füllte fast die gesamte Fläche der Höhle aus, bis auf den schmalen Uferstreifen, auf dem sie standen. Es herrschte eine fast vollkommene Stille, die nur durch ein leises Tropfen hin und wieder unterbrochen wurde. Ein seltsamer Geruch hing in der Luft. Er erinnerte Jayel an das Meer: Leicht salzig und frisch, doch ein unangenehmer, fast scharfer Hauch wehte dabei mit und ließ den Unterschied zur frischen Meeresluft allzu deutlich werden.
Weit entfernt, in der Mitte des Sees, sah man eine kleine Insel, auf der sich zweifellos der Erdkristall befinden musste.
„Hmpf!“, sagte Tiark. Jayel konnte ihm nur zustimmen. Die Insel war so weit vom Ufer entfernt, dass sie unmöglich hinschwimmen konnten – so viel Ausdauer hatten sie gewiss nicht. Allerdings...
Jayel drehte sich zu Kallabul um: „Für dich als Aquant dürfte das kein Problem sein, oder? Du kannst hinüberschwimmen und den Kristall holen!“
Doch Kallabul schüttelte bedauernd den Kopf: „Das geht leider nicht. Ich kann bereits von hier aus spüren, dass mit diesem Wasser irgend etwas nicht stimmt. Ich glaube, es ist gar kein wirkliches Wasser...“ Jayel runzelte die Stirn. Sie trat nah zum Wasser hin und betrachtete es prüfend, konnte aber nichts ungewöhnliches feststellen. „Pass auf!“ sagte Kallabul, bückte sich und ergriff einen Stein. Er trat neben die Bardin und ließ ihn in das seichte Wasser fallen. Es zischte; Dampfwolken stiegen auf und der Stein löste sich in Windeseile auf.
„Säure“, bemerkte Daphnus trocken.
„Urgh!“, gab Tiark von sich und trat einen Schritt vom See zurück.
Jayel war ratlos. Sie blickte sich um. Nirgendwo ein Steg oder eine Brücke, die ihnen geholfen hätte. Kallabul tuschelte mit Daphnus. „Ich könnte es versuchen...“, überlegte der junge Magier laut.
„Was?“, wollte Jayel wissen.
Daphnus sah sie an. „Ich könnte versuchen, die Wasserteilchen aus der Säure zu extrahieren, um dann mit ihnen eine Brücke über den See zu bauen!“, erklärte er.
„Hä?“, sagte Tiark und kam wieder einen Schritt auf die Gruppe zu. „Ihr wollt mit diesem Zeugs da eine Brücke bauen? Da kann ich ja gleich reinspringen! Ich bin dagegen!“
„Äh, Freunde...“, sagte Jayel.
„Nicht mit der Säure“, versuchte Daphnus zu erklären, „sondern mit den in ihr enthaltenen Wasserteilchen.“
„Aha!“, brummte Tiark. „Wo Wasser ja auch so stabil ist! Da rutschen wir durch und kriegen doch unser Säurebad...“
„Daphnus...“, versuchte es Jayel erneut.
„Nicht wenn ich das Wasser
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