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Das Fenster zum Hof

Das Fenster zum Hof

Titel: Das Fenster zum Hof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornell Woolrich
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flammenden Licht der Morgensonne
erlag ich schließlich diesem Bedürfnis. Wenn er irgend etwas vorgehabt hatte,
hätte er es sicher im Schutz der Dunkelheit durchgeführt und nicht auf das
helle Tageslicht gewartet. Es würde jetzt für eine Weile nicht viel zu
beobachten geben. Und außerdem, was hätte er denn noch tun müssen? Nichts,
alles was er tun mußte, war, sich nicht aus der Wohnung zu rühren und ein wenig
Zeit verstreichen zu lassen; die arbeitete für ihn.
    Es schien nur fünf Minuten später zu
sein, als Sam hereinkam und mich antippte, doch es war bereits Mittag. Ich
brummte gereizt: »Hast du denn keine Augen im Kopf? Da hängt ‘n Zettel für
dich, daß du mich schlafen lassen sollst .«
    Er erwiderte: »Ja, schon klar, aber Ihr
alter Freund, Inspektor Boyne, ist da. Ich hab mir gedacht, Sie wollten ihn
sicher...«
    Diesmal kam Boyne persönlich. Er trat
ohne zu warten hinter Sam ins Zimmer, wirkte nicht besonders herzlich.
    Um Sam loszuwerden, sagte ich: »Geh in
die Küche und schlag mir ein paar Eier in die Pfanne .«
    Boyne begann mit stahlharter Stimme:
»Jeff, wie kannst du mir nur sowas antun? Ich hab mich zum Narren gemacht
deinetwegen. Hab meine Männer in alle Himmelsrichtungen losgeschickt, um
irgendwelchen Phantomen nachzujagen. Nur gut, daß ich nicht noch weiter
reingetappt bin und den Kerl zum Verhör aufs Revier geschleppt hab!«
    »Oh, du meinst also, das wäre nicht
nötig ?« fragte ich trocken. Der Blick, den er mir
zuwarf, war tödlich. »Stell dir vor, ich bin nicht allein in meiner Abteilung.
Ich hab Vorgesetzte, denen ich Rechenschaft schuldig bin. Die sind begeistert,
wenn ich einen meiner Jungs auf eine halbtägige Zugfahrt in die Provinz
schicke, in irgendein gottverdammtes Nest, und das alles auf Kosten der
Abteilung...«
    »Du hast den Koffer also gefunden ?«
    »Wir haben’s über die Speditionsfirma
rausgekriegt«, erwiderte er in beißendem Ton.
    »Und habt ihr ihn aufgemacht ?«
    »Viel besser: Wir haben auf den paar
Farmen dort oben nachgefragt und Mrs. Thorwald auf einer von ihnen gefunden.
Sie kam dann mit einem Gemüselieferwagen selbst zum Bahnhof und hat ihn für uns
aufgemacht, mit ihrem eigenen Schlüssel !«
    Nur sehr wenige Menschen haben wohl
jemals von einem alten Freund so einen Blick zugeworfen gekriegt wie ich jetzt
von ihm. An der Tür meinte er, steif wie ein Gewehrlauf: »Vergessen wir die
Geschichte doch einfach, ja? Das ist so ungefähr das Netteste, was jeder von
uns für den anderen tun kann. Komm du erst mal wieder zu dir, und ich seh zu,
daß ich wieder zu dem Taschengeld, der Zeit und der guten Laune komme, die ich
mit der Sache verplempert hab. Lassen wir’s dabei bewenden. Für den Fall, daß
du mich nochmal anrufen willst, geb ich dir gern meine Privatnummer .«
    Mit einem lauten Knall fiel die Tür
hinter ihm ins Schloß.
    Nachdem er hinausgestürmt war, hatte
ich ungefähr zehn Minuten lang das Gefühl, meine Gedanken steckten in einer Art
Zwangsjacke. Sie wanden sich darin hin und her, bis sie schließlich wieder
freikamen. Zum Teufel mit der Polizei! Ihnen kann ich’s vielleicht nicht
beweisen, aber ich werde eine Methode finden, es mir selbst zu beweisen, und
zwar ein für alle Mal. Entweder ich liege schief, oder ich hab recht. Nach
vorne, gegen sie ist er gewappnet. Aber mir zeigt er sein nacktes,
ungeschütztes Hinterteil.
    Ich rief Sam herein. »Was ist
eigentlich aus dem Fernglas geworden, das wir dabeihatten, als wir damals mit
dem Boot rumgetuckert sind? «
    Er fand es irgendwo im Keller, und als
er damit hereinkam, hauchte er es an und rieb es an seinem Ärmel. Ich ließ es
zunächst unbenutzt auf meinem Schoß liegen, griff nach einem Blatt Papier und
einem Bleistift und schrieb die sechs Worte darauf: Was hast du mit ihr
gemacht ?
    Ich steckte das Blatt in einen
Umschlag, klebte ihn zu, schrieb keine Adresse darauf. Dann sagte ich zu Sam:
»Ich muß dich um einen Gefallen bitten, aber du mußt es geschickt anstellen.
Nimm diesen Brief, geh da rüber in die Nummer 525, hoch in den dritten Stock
und schieb ihn in der Wohnung zum Hinterhof unter der Tür durch. Du bist flink,
zumindest warst du’s früher. Mal sehen, ob du noch schnell genug bist, um dich
nicht erwischen zu lassen. Und wenn du wieder unten an der Haustür bist, drück
mal kurz auf die Klingel, damit er merkt, daß da was ist .«
    Sein Mund öffnete sich.
    »Und stell mir keine Fragen, klar? Ich
meine das ernst .«
    Er ging, und ich stellte das

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