Das Fest der Zwerge
Werkstatt, in der das Werkzeug ihres Vaters verstaubte. Den Keller mit den uralten Schlafzimmerschränken, in denen die Kleider ihrer Mutter und die Anzüge ihres Vaters hingen, die wegzuwerfen sie bisher nicht über sich gebracht hatte. Den Keller, in dem die Tiefkühltruhe stand und das Weinregal, das inzwischen ohnehin so gut wie leer war.
Als alles verriegelt war, fühlte sie sich besser. Sie stieg die Kellertreppe wieder hinauf, bereitete sich in der Küche das Abendessen, etwas festlicher als gewöhnlich, weil Heiligabend war, aber wiederum auch nicht so festlich, dass die Abwesenheit eines Gegenübers sich schmerzlich bemerkbar machen würde. Nach dem Essen sah sie sich einen Film im Fernsehen an, dann ging sie schlafen. Es gelang ihr, den Drang, noch einen allerletzten Rundgang zu machen, niederzukämpfen und ins Bett zu gehen. Es war bestimmt besser, derartigen Impulsen nicht nachzugeben, sagte sie sich und schloss die Augen.
Sie erwachte mitten in der Nacht, überzeugt, dass es ein Geräusch im Haus gewesen war, das sie geweckt hatte.
Aufrecht im Bett sitzend, umgeben von wogender Dunkelheit, die Hand auf dem Lichtschalter, lauschte sie. Nichts. Ein Auto in der Straße, ein Knacken im Gebälk, rätselhaft, aber vertraut. Ansonsten Stille. Natürlich. Ein dummer Traum.
Lena seufzte und schaltete das Licht ein. Nein, das ging zu weit. Sie konnte nicht am Heiligen Abend einen Psychotherapeuten anrufen. Schon gar nicht mitten in der Nacht.
Die Telefonseelsorge vielleicht? Dort war bestimmt jemand zu erreichen. Auch an Weihnachten. An Weihnachten erst recht.
Zum ersten Mal fragte Lena sich, ob alles so enden würde, dass sie sich in eine psychiatrische Klinik einweisen lassen musste. Der Gedanke krampfte ihr das Herz zusammen.
Bitte nicht, dachte sie, ein banges Gebet an eine namenlose Schicksalsmacht, lass mein Leben nicht so verfahren enden.
In diesem Augenblick hörte sie das Geräusch wieder.
Es kam aus dem Keller. Es hörte sich an, als werfe sich jemand gegen eine der Innentüren, die sie verschlossen hatte.
»Gott im Himmel«, murmelte Lena. Also war es doch keine Einbildung gewesen. Also war sie doch kein Fall für die Psychiatrie. Obwohl sie das in diesem Moment beinahe vorgezogen hätte.
Was jetzt? Polizei. Sie musste die Polizei anrufen. Jemand war in ihrem Keller, mitten in der Nacht. Das würde ja wohl Grund genug sein.
Schnell. Das Telefon stand unten im Flur. Ein uraltes Modell, weil ihr Vater nichts von den modernen, herumtragbaren Geräten gehalten hatte. Schnell, ehe etwas geschah, das sich zwischen sie und das Telefon stellte.
Lena schlüpfte aus dem Bett, hatte keine Zeit für Pantoffeln, hastete auf nackten Füßen hinaus und die Treppe hinunter. 112. Das war die Notrufnummer.
Den Hand auf dem Hörer verharrte sie. Stille. Auf einmal war sie sich nicht mehr sicher, ob sie dieses Geräusch wirklich gehört hatte. Was, wenn es nur Einbildung gewesen war? Sie konnte doch nicht die Polizei rufen und dann war da nichts.
Sie hielt den Atem an. Stille. Dröhnende, ohrenbetäubende Stille. Lena ließ den Hörer los.
Das Geräusch war aus dem Keller gekommen. Wenn sie alle Peinlichkeit vermeiden wollte, blieb ihr nichts anderes übrig, als dort nachzusehen. Sie schluckte.
Vielleicht genügte es ja, am oberen Ende der Kellertreppe stehen zu bleiben und zu horchen. Bestimmt genügte das. Ein Geräusch, das imstande gewesen war, sie oben im Schlafzimmer zu wecken, würde von da aus zweifellos zu hören sein.
Sie drehte den Schlüssel, leise, öffnete die Tür. Lauschte.
Ja. Da war ein Geräusch.
Jemand weinte.
Es klang nicht nur harmlos, es klang entsetzlich hilfebedürftig. So, als ob jemand, der klein und schwach war, Schmerzen litt.
Was natürlich ein Trick sein konnte. Eine Falle.
Aber nachsehen musste sie, daran führte kein Weg vorbei. Lena eilte so leise wie möglich ins Wohnzimmer, zu dem mächtigen offenen Kamin, der zuletzt angeheizt gewesen war, als Vater noch im Haus gelebt hatte, nahm geräuschlos den hundert Jahre alten Schürhaken aus Schmiedeeisen vom Gestell und kehrte damit zur Kellertreppe zurück.
Ihr Herz pochte so laut, dass sie meinte, es als Echo von den Kellerwänden widerhallen zu hören. Doch das Weinen und Stöhnen war keine Einbildung. Es kam von der Tür, die zur Waschküche führte.
Die Waschküche, die eine Tür in den Garten besaß. Unter dem Türspalt schimmerte Licht.
Was ging hier vor sich?
Den Schürhaken fest umklammert, lauschte Lena an
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