Das feuchte Nachtgespenst
herangezogen, um ihre Entschlusskraft zu testen. Ihr müsst wissen, die Folter darf auf keinen Fall in unangemessener Weise angewendet werden. Sie ist ein von Gott erlaubtes und geschenktes Mittel zur Wahrheitsfindung«, dozierte sie und ihr Blick ging ins Leere. Sie stellte sich vor, wie Aimée vor aller Augen ihrer Kleidung entledigt würde und die Befragung begann. Eine Symphonie des Fleisches, die nur dann lustvoll war, wenn sie unendlich langsam vorangetrieben wurde …
»Ja, ganz ähnlich wird auch in meinem Land verfahren«, sagte Friedrich von Ranestein und zum ersten Mal erkannte sie einen Hauch von Enthusiasmus in den schwarzen Augen des jungen Deutschen. »Mich würden jedoch die Details interessieren, welche Überredungswerkzeuge hier üblich sind und wie der genaue Ablauf ist.« Er gestikulierte in dem Bemühen in der für ihn fremden Sprache die angemessenen Worte zu finden.
Pierrette war entzückt. Sie setzte ihr charmantestes Gesicht auf und lächelte ihren Gatten an. »Ihr erlaubt?«, fragte sie. Maximilien nickte ausdruckslos. Er wollte allmählich von dieser Angelegenheit befreit werden und nichts mehr von Aimée hören. Dieser unsägliche Vorfall war seiner Lust abträglich und solche Mißtöne konnten ihm die ganze Woche verleiden, wenn es ihm nicht gelang, Ablenkung zu finden. Aimée hatte einen wundervoll kleinen Busen mit Türmen von Brustwarzen gehabt. Er war nun für eine Weile gezwungen, Dienerinnen mit Kuheutern zu bevorzugen, um nicht an Aimée erinnert zu werden.
»Ich werde Euch mit Freuden unseren Kerker zeigen, mein guter Friedrich von Ranestein«, bekannte Pierrette erfreut. »Ihr müsst wissen, es handelt sich um die größte Einrichtung in der Region. Und unter uns …«, Pierrette senkte ihr Stimme, »… der König mag größere Kerker haben, jedoch verfügt selbst er nicht über die Finesse unserer Geräte und Foltermeister.«
Die Hofgesellschaft löste sich nun auf und Pierrette und Friedrich von Ranestein verließen in eine angeregte Unterhaltung vertieft den Gerichtssaal von Fontainevert.
Es dauert eine Weile, bis Friedrich von Ranestein das Gästezimmer bezogen und eine kleine, stärkende Mahlzeit zu sich genommen hatte, doch am späten Abend betrat er schließlich mit seiner Gastgeberin Pierrette de St. Courchose den Kerker. Ein unscheinbares, schmiedeeisernes Gitter führte über äußerst steile und staubige Treppen in eine kühle und dunkle Tiefe. Erst am Ende der langen Treppe sahen sie Fackellicht und einen Vorraum, in dem sie von dem Kerkermeister erwartet wurden. Dieser entsprach ganz Friedrich von Ranesteins Erwartungen. Er musterte einen massigen Körper, der wenig Zivilisation verriet und blickte in Augen, die noch weniger Intelligenz verhiessen. Ein wenig enttäuscht blickte er sich um. An den Wänden waren selbst außerhalb der Zellen schwarze Eisenringe eingelassen, vermutlich für den Fall, dass eine außerordentliche Anzahl an Gefangenen untergebracht werden musste. Die Wände waren roh und bestanden aus groben Felsquadern, doch es herrschte eine Sauberkeit, die den Deutschen überraschte. Man schien hier ein Bedürfnis nach Ordnung zu besitzen, was darauf hindeutete, dass die Strafrechtskultur hier zivilisatorischen Prinzipien folgte und nicht wie so oft ein verdrängtes Übel war.
Eine offene Holztür führte links zu einem Raum, der das Wachzimmer zu sein schien. Ein Mann ohne Perücke, in sauberem Justaucorps, schrieb emsig bei Kerzenlicht etwas in das Wachbuch, vermutlich den Zeitpunkt ihres Besuchs. Geradeaus führte ein Korridor an offenen Zellen entlang.
Pierrette wechselte einige Worte mit dem speckigen Kerkermeister, der katzbuckelnd bemüht war, die Gräfin bei Laune zu halten und ihr schließlich den Schlüsselbund übergab. Pierrette deutete auf den Korridor, raffte ihr schwarzes Kleid und forderte Friedrich auf, ihr zu folgen. Die vorderen Gefängnisse seien lediglich für Kurzaufhalte gedacht und verfügten nicht über besondere Sicherheitsmaßnahmen. Ein weiblicher Schrei ertönte voraus und kündete von Entsetzen.
Pierrette nahm wohlwollend zur Kenntnis, dass ihr deutscher Gast nicht zusammengezuckt war. Er schien über einige Erfahrungen in diesem Metier zu verfügen.
»Das hörte sich ganz nach Aimée an«, lächelte die Gräfin und Friedrich nickte. Der Korridor endete in einem weiteren Raum, von dem vier, mit einer Holztür verschlossene Räume abzweigten. Die Gräfin erklärte, dass die linke Tür zu einem weiteren
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