Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Feuer von Innen

Das Feuer von Innen

Titel: Das Feuer von Innen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
Vom Netzwerk:
Untergang der alten Seher bei. Wir wissen es heute besser. Wir wissen, daß nichts den Geist eines Kriegers so zu stählen vermag, wie die Herausforderung, sich mit unmöglichen Leuten in Machtpositionen herumzuschlagen. Nur in solchen Situationen findet der Krieger die Nüchternheit und Gelassenheit, die er braucht, um die Gegenwart des Unbekannten zu ertragen.« Ich protestierte energisch. Ein Tyrann könne, meinte ich, seine Opfer nur hilflos machen - oder so brutal, wie er selber sei. Ich berief mich auf die vielen wissenschaftlichen Untersuchungen, die über seelische und körperliche Folgen der Folter für deren Opfer angestellt worden seien.
    »Genau, es ist wie du sagst«, meinte er. »Der Unterschied ist, daß es Opfer waren, und keine Krieger. Früher habe ich genauso gedacht wie du. Jetzt will ich dir erzählen, was mich dazu brachte, meine Meinung zu ändern. Aber kehren wir noch einmal zurück zu dem, was ich vorhin über die Konquista sagte. Die damaligen Seher hätten nirgends eine günstigere Situation vorfinden können. Die kleinen Tyrannen, das waren damals die Spanier. Und du kannst mir glauben, daß sie die Fähigkeiten der Seher auf eine harte Probe stellten. Nachdem sie den Konquistadoren standgehalten hatten, konnten es die Seher auch mit allem anderen aufnehmen. Sie hatten Glück. Damals gab es kleine Tyrannen allenthalben.
    Nach diesen fetten Jahren des Überflusses kam eine große Wende. Nie wieder gab es kleine Tyrannen in so großer Zahl; und nur damals war ihre Macht so unbegrenzt. Das beste Mittel, um einen Seher zur höchsten Vollendung zu führen, ist ein kleiner Tyrann mit unbeschränkter Machtfülle.
    Heutzutage müssen sich die Seher tüchtig anstrengen, um einen würdigen Gegner zu finden. Meistens müssen sie mit den albernen Kleinen vorliebnehmen.«
    »Hast auch du einen kleinen Tyrannen gefunden, Don Juan?«
    »Ja, ich hatte Glück. Ein wahrer Riese nahm sich meiner an. Aber damals dachte ich wie du. Ich war überhaupt nicht von meinem Glück überzeugt.«
    Don Juans Prüfung, erzählte er, fing an, ein paar Wochen bevor er seinem Wohltäter begegnete. Damals war er kaum zwanzig Jahre alt. Er hatte einen Job in einer Zuckermühle, wo er als Handlanger arbeitete. Er war schon immer besonders kräftig, darum fand er mühelos Arbeit, bei der >Muskeln< gefragt waren. Eines Tages, er wuchtete gerade die schweren Zuckersäcke, kam eine Frau vorbei. Sie war elegant gekleidet und sah aus wie eine bessere Dame. Sie mochte Anfang Fünfzig sein, und sie trat sehr selbstbewußt auf. Sie musterte Don Juan, sprach ein paar Worte mit dem Vorarbeiter und ging dann fort. Gleich darauf machte sich der Vorarbeiter an Don Juan heran und sagte, er könne ihn -natürlich gegen eine kleine Gebühr - für einen Posten im Hause des Chefs empfehlen. Don Juan sagte dem Mann, daß er kein Geld habe. Der Vorarbeiter meinte grinsend, da könne er ganz unbesorgt sein, am Zahltag werde er reichlich haben. Er klopfte Don Juan den Rücken und beteuerte, es sei eine große Ehre, im Haus des Chefs zu arbeiten.
    Als einfacher, unwissender Indianer, so erzählte Don Juan, habe er dem Mann aufs Wort geglaubt; er sei sich gar vorgekommen, als habe ihn eine gute Fee beglückt. Er versprach zu bezahlen, was immer der Vorarbeiter verlangte. Dieser nannte einen hohen Betrag, zahlbar in zwei Raten.
    Anschließend führte der Vorarbeiter persönlich Don Juan zum Hause des Chefs, das etwas außerhalb der Stadt lag, und übergab ihn dort einem anderen Vorarbeiter, einem riesenhaften, düsteren, häßlichen Kerl, der eine Menge Fragen stellte. Er wollte auch etwas über Don Juans Familie wissen. Don Juan sagte, er hätte keine. Der Mann schien so erfreut, daß er mit seinen fauligen Zähnen sogar ein Lächeln zustande brachte. Er versprach Don Juan guten Lohn und meinte, er könne sogar Geld auf die Seite legen, weil er, da er im Haus essen und schlafen sollte, nichts auszugeben brauchte.
    Die Art, wie der Mann lachte, war beängstigend. Don Juan wußte, er mußte sofort fliehen. Er lief zum Tor, aber der Mann, eine Pistole in der Hand, schnitt ihm den Weg ab. Er spannte den Hahn und stieß Don Juan die Waffe in den Bauch. »Du bist hier, um zu arbeiten, bis du tot umfällst«, sagte er. »Vergiß es nicht.« Und er stieß Don Juan mit einem Knüppel vorwärts. Dann führte er ihn hinter das Haus, und mit der Bemerkung, daß seine Leute von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang zu arbeiten hätten, trug er Don Juan auf, zwei

Weitere Kostenlose Bücher