Das Feuer von Innen
sagte Don Juan. »Es war eine alte Hazienda, die den Besitzern der Zuckermühle gehörte - reichen Leuten, die entweder wußten, was gespielt wurde, und sich nicht darum kümmerten, oder zu gleichgültig waren, um etwas zu merken.
Kaum war ich dort, lief ich ins Haus und suchte die Dame.
Ich fand sie und fiel vor ihr auf die Knie und küßte ihr die Hände und dankte ihr. Die beiden Vorarbeiter standen da, blaß vor Wut. Der Vorarbeiter vom Hause benahm sich genau wie beim erstenmal. Aber ich hatte das richtige Rüstzeug, um mit ihm fertigzuwerden. Ich hatte Kontrolle, Disziplin, Voraussicht und das richtige Timing. Es kam genau, wie mein Wohltäter es geplant hatte. Meine Kontrolle erlaubte mir, den irrsinnigsten Forderungen des Mannes zu gehorchen. Was uns meist in solchen Situationen schwächt, ist die Verletzung unseres Eigendünkels. Jeder, der nur ein Fünkchen Stolz hat, zerbricht daran, so unwürdig behandelt zu werden.
Ich aber tat mit Freuden, was er von mir verlangte. Ich war fröhlich und stark. Ich pfiff auf meinen Stolz und meine Angst. Ich war als makelloser Krieger angetreten. Den Geist zu stählen, während du mit Füßen getreten wirst - das ist's, was man Kontrolle nennt.«
Die Strategie seines Wohltäters, erklärte Don Juan, sah vor, daß er sich nicht bemitleide, wie er es früher getan hatte, sondern unverzüglich anfing, die Stärken des Mannes zu registrieren - und auch seine Schwächen, seine Marotten.
Die Stärken des Vorarbeiters, das fand Don Juan bald heraus, waren seine Gewalttätigkeit und seine Verwegenheit. Er hatte Don Juan am hellen Tage niedergeschossen, vor den Augen vieler Zuschauer. Seine große Schwäche war, daß er seinen Job liebte und ihn nicht gefährden wollte. Unter keinen Umständen durfte er also versuchen, Don Juan bei Tage im Umkreis des Hauses zu töten. Eine weitere Schwäche von ihm war, daß er ein Familienmann war. Er hatte Frau und Kinder, die in einer Hütte hinter dem Haus lebten.
»Alle diese Informationen zu sammeln, während du zusammengeschlagen wirst - das ist es, was man Disziplin nennt«, sagte Don Juan. »Der Mann war ein wahrer Satan. Er kannte kein Erbarmen. Die neuen Seher wissen aber, daß ein kleiner Tyrann nichts Versöhnliches hat.«
Don Juan erzählte, daß die beiden anderen Attribute der Kriegerschaft, nämlich Voraussicht und das richtige Timing, die er noch nicht besaß, automatisch in die Strategie seines Wohltäters eingebaut waren. Voraussicht heiße, sagte er, warten zu können -einfach und fröhlich, ohne Eifer und ohne Angst, zurückzuhalten, was angemessen wäre.
»Ich demütigte mich jeden Tag«, fuhr Don Juan fort, »manchmal weinend unter der Peitsche des Mannes. Und doch war ich glücklich. Die Strategie meines Wohltäters half mir, Tag für Tag durchzuhalten, ohne Haß auf die Anmaßung dieses Mannes. Ich war ein Krieger. Ich wußte, daß ich wartete, und ich wußte, worauf ich wartete. Genau darin liegt die große Freude der Kriegerschaft.«
Und weiter habe die Strategie vorgesehen, erzählte er, den Mann systematisch zu zermürben, indem Don Juan bei höheren Stufen der Hierarchie Deckung suchte, genau wie die Seher des neuen Zyklus es taten, als sie sich, zur Zeit der Konquista, hinter der katholischen Kirche abschirmten. Ein geringer Priester war damals oft mächtiger als ein Edelmann.
Don Juans Schirm und Schutz war die Dame, die ihm den Job verschafft hatte. So oft er sie sah, kniete er vor ihr nieder und nannte sie eine Heilige. Er bat sie sogar um ein Amulett ihres Schutzpatrons, zu dem er für ihr Wohl und ihre Gesundheit beten wollte.
»Sie schenkte mir eines«, fuhr Don Juan fort, »und dies brachte den Vorarbeiter vollends um den Verstand. Als ich die Dienstboten zum Nachtgebet versammelte, bekam er beinah einen Herzschlag. Damals beschloß er, glaube ich, mich umzubringen. Er konnte es sich nicht leisten, mich auf diese Weise weitermachen zu lassen.
Als Gegenzug rief ich alle Dienstboten des Hauses zum Rosenkranz zusammen. Die Dame muß mich für einen wahren Heiligen gehalten haben.
Danach schlief ich nicht mehr allzu tief, und ich schlief nicht mehr in meinem Bett. Jeden Abend kletterte ich auf das Dach hinauf.
Zweimal sah ich ihn von dort oben, wie er, Mord in den Augen, durch die Nacht schlich und mich suchte.
Jeden Tag schickte er mich in den Stall zu den Hengsten, denn er hoffte, sie würden mich tot trampeln. Aber ich hatte mir eine Planke aus dicken Bohlen gemacht, die ich in einer Ecke
Weitere Kostenlose Bücher