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Das Feuer von Innen

Das Feuer von Innen

Titel: Das Feuer von Innen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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hineingleiten zu lassen, nachdem dieser Punkt durch den Nagualschlag aus seiner üblichen Position gestoßen wurde.«
    Genaro, so sagte er, habe meinen Montagepunkt unzählige Male angestoßen, nachdem ich in den Zustand gesteigerter Bewußtheit eingetreten sei. An jenem Tag, als wir zu dem großen flachen Felsen hinausgingen, um miteinander zu sprechen, habe Genaro meinen Montagepunkt auf dramatische Weise zur linken Seite gleiten lassen - auf so dramatische Weise, daß es etwas gefährlich wurde.
    Don Juan hielt inne und schien bereit, Genaro die Initiative zu überlassen. Er nickte, als wolle er Genaro auffordern, etwas zu sagen. Genaro stand auf und kam neben mich. »Die Flamme ist sehr wichtig«, sagte er leise. »Erinnerst du dich an den Tag, als ich dich die Spiegelung des Sonnenlichts auf einem Stück Quarz anschauen ließ - damals, als wir auf diesem großen flachen Felsen saßen?«
    Als Genaro es erwähnte, erinnerte ich mich. An jenem Tag - Don Juan machte gerade eine Pause im Gespräch - hatte mich Genaro auf die Brechung des Lichts in einem polierten Quarzbrocken aufmerksam gemacht, den er aus der Tasche zog und auf den flachen Stein legte. Das schimmernde Quarzstück hatte sofort meine Aufmerksamkeit gefesselt. Danach erinnerte ich mich nur noch, daß ich auf dem flachen Stein kauerte, während Don Juan mit besorgtem Gesichtsausdruck neben mir stand. Ich wollte Genaro eben erzählen, daß ich mich erinnerte, als er zu sprechen anfing. Er brachte seinen Mund an mein Ohr und deutete auf eine der beiden Benzinlampen im Zimmer. »Schau dir die Flamme an«, sagte er. »In ihr ist keine Hitze. Sie ist reine Flamme. Sie kann dich in die Tiefen des Unbekannten tragen.«
    Noch während er sprach, spürte ich einen sonderbaren Druck; es war ein Gefühl körperlicher Schwere. Meine Ohren summten; meine Augen tränten so stark, daß ich kaum die Umrisse der Möbel ausmachen konnte. Meine Sicht war völlig verschwommen. Obwohl ich die Augen offen hatte, konnte ich das intensive Licht der Benzinlampen nicht sehen. Alles um mich her war dunkel. Da waren hellgrün phosphoreszierende Streifen, die auf dunklen, ziehenden Wolken leuchteten. Und dann kehrte meine Sehschärfe, so plötzlich wie sie ausgesetzt hatte, wieder zurück.
    Ich konnte nicht feststellen, wo ich war. Mir war, als schwebte ich wie ein Ballon. Ich war allein. Angst überfiel mich, und mein Verstand versuchte eine Erklärung zu konstruieren, die mir im Augenblick sinnvoll erschien: Genaro habe mich hypnotisiert - mit Hilfe der Flamme der Benzinlampe. Ich war beinah befriedigt. Ich schwebte ruhig dahin und versuchte, mich nicht zu beunruhigen. Ich glaubte, ich könne vermeiden, mich zu beunruhigen, indem ich mich auf die bevorstehenden Stadien des Erwachens konzentrierte.
    Als erstes bemerkte ich, daß ich gar nicht ich selbst war. Ich konnte nichts ansehen, weil ich nichts hatte, womit ich hätte sehen können. Als ich meinen Körper betrachten wollte, da war mir wohl, als bemerkte ich ihn, und doch war es, als blickte ich in den unendlichen Weltraum hinaus. Da waren unheimliche Wolken strahlenden Lichts, und Massen von Schwärze; beides in Bewegung. Deutlich sah ich ein Wellengekräusel bernsteinfarbenen Leuchtens mir entgegenströmen - wie eine gewaltige, langsame Meereswoge. Dann wußte ich, daß ich eine Boje war, schwebend im Raum, und daß die Woge mich überrollen und mitreißen würde. Ich nahm es als unvermeidlich hin. Aber kurz bevor die Woge mich erreichte, geschah etwas ganz Unerwartetes - ein Wind wehte mich aus der Bahn der Welle fort. Die Macht dieses Windes trug mich mit ungeheurer Geschwindigkeit dahin. Ich fuhr durch einen gewaltigen Tunnel von hellen bunten Lichtern. Meine Sicht verschwamm vollständig, und dann war mir, als erwachte ich, als hätte ich einen Traum gehabt, einen hypnotischen Traum, den Genaro mir eingegeben habe. Im nächsten Moment befand ich mich wieder bei Don Juan und Genaro im Zimmer.
    Den größten Teil des folgenden Tages verschlief ich. Am Spätnachmittag setzten Don Juan und ich uns wieder zusammen, um unser Gespräch fortzusetzen. Genaro hatte mich kurz vorher aufgesucht, war aber nicht bereit gewesen, sich über mein Erlebnis zu äußern.
    »Gestern abend stieß Genaro wieder deinen Montagepunkt an«, sagte Don Juan. »Aber vielleicht war der Stoß zu mächtig.« Eifrig berichtete ich Don Juan vom Inhalt meiner Vision. Er lächelte, offenkundig gelangweilt.
    »Dein Montagepunkt bewegte sich aus seiner

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