Das Feuer von Innen
fügte noch an, daß die zwanghafte Verstrickung der ersten Aufmerksamkeit in Selbst-Versenkung oder Vernunft eine stark bindende Kraft sei und daß Rituale, eben weil sie auf Wiederholung beruhten, die erste Aufmerksamkeit zwingen könnten, ihre Energie von der Betrachtung des inneren Inventars abzulenken - wodurch der Montagepunkt seine starre Fixierung verliere. »Was geschieht mit Leuten, deren Montagepunkt seine starre Fixierung verliert?« fragte ich.
»Falls sie keine Krieger sind, glauben sie, den Verstand zu verlieren«, sagte er lächelnd. »Genau wie du einmal glaubtest, du würdest verrückt. Wenn sie aber Krieger sind, wissen sie, daß sie verrückt geworden sind, aber sie warten geduldig ab. Bei gesundem Verstand zu sein, weißt du, bedeutet, daß der Montagepunkt unbeweglich ist. Wenn er sich verschiebt, bedeutet es buchstäblich, daß man verrückt ist.«
Zwei Möglichkeiten, sagte er, stünden dem Krieger offen, der seinen Montagepunkt verschoben habe. Die eine sei, anzuerkennen, daß man krank ist. Dann könne man sich verrückt benehmen und emotional auf die sonderbaren Welten reagieren, welche die Verschiebung des Montagepunktes einen erleben lasse. Die andere sei, gelassen und ungerührt zu bleiben, in der Gewißheit, daß der Montagepunkt immer wieder in seine Ausgangslage zurückehrt.
»Wie aber, wenn der Montagepunkt nicht in seine Ausgangslage zurückehrt?« fragte ich.
»Dann sind die Betreffenden verloren«, sagte er. »Sie sind entweder verrückt, denn ihr Montagepunkt kann nie mehr die Welt zusammensetzen, wie wir sie kennen; oder sie sind Seher ohnegleichen, die ihre Reise zum Unbekannten angetreten haben.«
»Was entscheidet darüber, ob das eine oder das andere geschieht?«
»Energie! Makellosigkeit! Makellose Krieger verlieren nicht den Verstand. Sie bleiben gelassen. Wie oft habe ich dir gesagt, daß makellose Krieger zuweilen erschreckende Welten sehen, und doch können sie im nächsten Moment einen Witz erzählen und mit ihren Freunden lachen, oder auch mit Fremden.« Ich erzählte ihm, wie schon mehrmals in der Vergangenheit, daß ich krank zu werden glaubte, weil ich – als Nachwirkung der Einnahme halluzinogener Pflanzen - eine Reihe von auflösenden sensorischen Erfahrungen durchgemacht hätte. Ich erlebte Zustände einer völligen räumlichen und zeitlichen Spaltung, sehr beunruhigende Entgleisungen der geistigen Konzentration, sogar Visionen oder Halluzinationen von anderen Orten und Menschen, die ich anzustarren pflegte, als ob sie tatsächlich existierten. Ich mußte annehmen, ich sei im Begriff, den Verstand zu verlieren.
»Nach gewöhnlichen Maßstäben warst du tatsächlich im Begriff, den Verstand zu verlieren«, sagte er. »Doch nach Auffassung der Seher hättest du, falls du ihn wirklich verloren hättest, dabei nicht viel verloren. Der Verstand ist für den Seher nichts anderes als die Selbst-Betrachtung des menschlichen Inventars. Wenn du diese Selbst-Betrachtung verlierst, ohne dabei deinen Halt zu verlieren, lebst du in Wirklichkeit ein unendlich viel stärkeres Leben, als wenn du sie behalten hättest.«
Mein Fehler, meinte er, seien meine emotionalen Reaktionen, die mich an der Einsicht hinderten, daß die Wunderlichkeit meiner Sinneserfahrungen durch das tiefe Hineingleiten meines Montagepunktes in das menschliche Band der Emanationen bedingt sei.
Ich sagte ihm, daß ich nicht verstehen könne, was er mir da erklärte, denn die Struktur, die er als menschliches Emanationen-Band bezeichne, sei für mich unvorstellbar. Ich hätte es mir vorgestellt wie ein Band, das sich über die Oberfläche einer Kugel zieht.
Er gab zu, daß es irreführend sei, von einem Band zu sprechen, und dann versuchte er mir durch ein Gleichnis zu veranschaulichen, was er meinte. Die leuchtende Form des Menschen, sagte er, sei wie eine Kugel Weichkäse, mit einer dicken Schicht einer dunkleren Käsesorte eingelagert. Er sah mich an und kicherte. Er wußte, daß ich Käse nicht ausstehen konnte. Er warf ein Diagramm auf eine kleine Tafel. Er zeichnete eine eiförmige Figur und unterteilte sie der Länge nach in vier Streifen, wobei er meinte, er werde diese Trennlinien gleich wieder löschen, denn er habe sie nur eingezeichnet, um mir zu veranschaulichen, wo das Band auf dem Kokon des Menschen lokalisiert sei. Dann zeichnete er ein breites Band auf die Linie zwischen dem ersten und dem zweiten Streifen und wischte die Trennlinien aus. Das Band, erklärte er, sei wie eine
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