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Das Feuer von Innen

Das Feuer von Innen

Titel: Das Feuer von Innen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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Behendigkeit, seine Wildheit.
    Sogar unter den heutigen Sehern, versicherte mir Don Juan, gäbe es viele traurige Beispiele für solche Praktiken. Die relative Leichtigkeit, mit der sich der Montagepunkt des Menschen nach unteren Positionen verschiebe, stelle eine große Versuchung für den Seher dar, besonders, wenn er von seiner Veranlagung her dazu neige. Daher sei es die Pflicht eines Nagual, seine Krieger auf die Probe zu stellen.
    Mich habe er, wie er sagte, auf die Probe gestellt, indem er meinen Montagepunkt in eine untere Position gleiten ließ, während ich unter dem Einfluß von Kraft-Pflanzen stand. Dann habe er meinen Montagepunkt dirigiert, bis ich das Emanationen-Band der Krähen herausgreifen konnte, was dazu führte, daß ich mich in eine Krähe verwandelte.
    Und wieder stellte ich Don Juan die Frage, die ich ihm schon Dutzende Male vorgelegt hatte. Ich wollte wissen, ob ich mich körperlich in eine Krähe verwandelt oder mich nur wie eine Krähe gefühlt hätte.
    Eine Verschiebung des Montagepunktes nach unten, so erklärte er, bewirke immer eine völlige Verwandlung. Wenn der Montagepunkt unter eine kritische Schwelle gleite, so fügte er hinzu, verschwinde die Welt. Sie höre auf, das zu sein, was sie für uns im Reich des Menschen ist.
    Er gestand zu, daß meine Verwandlung tatsächlich in jeder Hinsicht erschreckend gewesen sei. Meine Reaktion auf diese Erfahrung habe ihm bewiesen, daß meine Veranlagung nicht in diese Richtung neige. Wäre es anders gewesen, dann hätte ich unter Aufbietung ungeheurer Energie meine Bereitschaft bekämpfen müssen, in jener unteren Region zu verweilen, in der sich manche Seher recht wohl fühlten.
    Außerdem, sagte er, unterlaufe jedem Seher ab und zu eine ungewollte Verschiebung nach unten, aber solche Verschiebungen nach unten würden seltener, je weiter sich der Montagepunkt nach links bewege. Jedesmal aber, wenn so etwas passiere, schwinde die Kraft des Sehers, dem diese Erfahrung widerfährt, ganz erheblich. Es sei ein Rückschlag, den aufzuholen viel Zeit und Mühe koste.
    »Solche Pannen machen den Seher sehr verdrossen und borniert«, fuhr er fort, »und in manchen Fällen auch extrem rational.«
    »Wie kann der Seher solche Verschiebungen nach unten vermeiden?« fragte ich.
    »Das hängt ganz von den Kriegern ab«, sagte er. »Manche neigen von Natur dazu, sich in ihren Launen gehenzulassen - du zum Beispiel. Das sind diejenigen, die besonders anfällig sind. Für solche wie dich empfehle ich vierundzwanzig Stunden Wachsamkeit am Tage, bei allem, was du tust. Disziplinierte Männer und Frauen sind weniger anfällig für solche Verschiebungen. Ihnen empfehle ich dreiundzwanzig Stunden Wachsamkeit am Tage.«
    Er sah mich mit leuchtenden Augen an und lachte. »Weibliche Seher erleben solche Verschiebungen nach unten öfter als Männer«, sagte er. »Aber sie können sich auch mühelos aus dieser Position wieder losreißen, während Männer gefährlich lange in ihr verharren.«
    Die Kriegerinnen hätten auch, sagte er, die ungewöhnliche Fähigkeit, ihren Montagepunkt in jeder beliebigen Position im unteren Bereich festzuhalten. Männer könnten dies nicht. Die Männer hätten dafür, sagte er, Nüchternheit und Zielstrebigkeit, aber sehr wenig Talent; dies sei der Grund, warum ein Nagual acht Seherinnen in seinem Zug haben müsse. Die Frauen gäben den Anstoß, die unermeßlichen Weiten des Unbekannten zu erkunden. Neben dieser natürlichen Veranlagung, oder vielleicht bedingt durch diese, zeichneten sich Frauen auch durch eine ungeheure Intensität aus. Daher könnten sie leicht, und mit beispielloser Wildheit, jede Tiergattung imitieren. »Wenn du an unheimliche Dinge denkst«, fuhr er fort, »an etwas Namenloses, das dort in der Dunkelheit lauert, dann denkst du, ohne es zu wissen, an eine Seherin, die eine Position in der grenzenlosen unteren Region festhält. Dies ist der Ort, wo die wahren Schrecken hausen. Wenn du jemals einer irregeleiteten Seherin begegnest, dann lauf in die Berge!«
    Ich fragte ihn, ob auch andere Organismen ihren Montagepunkt verschieben könnten.
    »Der Punkt kann sich bei ihnen verschieben«, sagte er, »aber die Verschiebung ist keine freiwillige.«
    »Wird auch der Montagepunkt anderer Organismen trainiert, dort zu erscheinen, wo er es tut?« fragte ich. »Jeder neugeborene Organismus wird trainiert, auf diese oder jene Weise«, antwortete er. »Vielleicht verstehen wir nicht, wie dieses Training vonstatten geht - wir wissen

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