Das Feuer von Innen
zwischen diesen beiden?« fragte ich Don Juan.
»Im letzten Teil meiner Erklärung der Wahrheiten über das Bewußtsein«, antwortete er, »werden wir diesen Unterschied langsam und gründlich kennenlernen. Für den Augenblick brauchst du nur zu wissen, daß du in deiner linksseitigen Bewußtheit Geheimnisse birgst, die du eifersüchtig hütest; das ist auch der Grund, warum ihr beide, la Catalina und du, euch sympathisch seid.«
Ich betonte noch einmal, daß sie mir nicht direkt sympathisch sei, sondern daß ich ihre große Stärke bewunderte. Don Juan und Genaro lachten und klopften mir auf die Schulter, als wüßten sie etwas, das ich nicht wußte. »Du bist ihr sympathisch, weil sie weiß, wie du bist«, sagte Genaro und schmatzte mit den Lippen. »Sie kannte den Nagual Julian sehr gut.«
Die beiden warfen mir einen langen Blick zu, der mich verlegen machte.
»Worauf willst du hinaus?« fragte ich Genaro in streitlustigem Ton.
Er grinste mich an und bewegte mit komischer Grimasse die Augenbrauen auf und ab. Aber er sagte nichts. Don Juan brach das Schweigen und fing an zu sprechen.
»Es gibt sehr merkwürdige Gemeinsamkeiten zwischen dem Nagual Julian und dir«, sagte er. »Genaro versucht nur herauszufinden, ob du dir dessen bewußt bist.«
Ich fragte die beiden, wie, um alles in der Welt, ich mir etwas so Unvorstellbarem bewußt sein sollte.
»La Catalina glaubt, du bist es«, sagte Genaro. »Und das behauptet sie, weil sie den Nagual Julian besser kannte als einer von uns hier.«
Ich wandte ein, ich könne nicht glauben, daß sie den Nagual Julian gekannt hätte, der doch die Welt vor beinah vierzig Jahren verlassen habe.
»La Catalina ist kein Osterküken«, sagte Genaro. »Sie sieht lediglich jung aus; das ist ein Teil ihres Wissens. Wie es auch zum Wissen des Nagual Julian gehörte. Du hast sie nur gesehen, wenn sie jung aussah. Sähest du sie, wenn sie alt aussieht, dann würden dir Hören und Sehen vergehen.«
»Was la Catalina tut«, warf Don Juan ein, »läßt sich nur im Lichte der drei Meisterschaften erklären: der Meisterschaft des Bewußtseins, der Meisterschaft des Pirschens und der Meisterschaft der Absicht.
Aber heute werden wir das, was sie tut, nur im Lichte der letzten Wahrheit über das Bewußtsein betrachten: nämlich der Wahrheit, die besagt, daß der Montagepunkt, nachdem er sich aus seiner Ausgangsposition bewegt hat, andere Welten als die unsere zusammenfügen kann.«
Don Juan bedeutete mir aufzustehen. Auch Genaro erhob sich. Ich griff automatisch nach dem Jutesack voll Heilkräuter. Als ich ihn über die Schulter werfen wollte, fiel Genaro mir in den Arm.
»Laß den Sack liegen«, sagte er lächelnd. »Wir werden einen kleinen Ausflug in die Berge machen, um la Catalina zu treffen.« »Wo ist sie?« fragte ich.
»Dort oben«, sagte Genaro und deutete zum Gipfel eines flachen Berges. »Wenn du mit halbgeschlossenen Augen hinstarrst, kannst du sie sehen - als ziemlich dunklen Punkt vor dem Grün der Büsche.«
Ich bemühte mich, den dunklen Punkt zu sehen, aber ich konnte nichts erkennen.
»Geh doch einfach mal hinauf«, schlug Don Juan mir vor. Ich verspürte Schwindel und Übelkeit. Mit einer Handbewegung drängte mich Don Juan, hinaufzugehen, aber ich wagte nicht, mich von der Stelle zu rühren. Schließlich packte mich Genaro am Arm, und wir kletterten beide zu jenem Gipfel hinauf. Als wir oben ankamen, merkte ich, daß Don Juan uns gefolgt war. Alle drei erreichten wir den Gipfel zur gleichen Zeit. Don Juan begann sich ruhig mit Genaro zu unterhalten. Er fragte ihn, ob er sich erinnere, wie oft der Nagual Julian sie beinahe hätte erwürgen wollen, weil sie sich in ihrer Angst gehenließen. Genaro wandte sich nach mir um und beteuerte mir, daß der Nagual Julian ein rücksichtsloser Lehrer gewesen sei. Er und sein eigener Lehrer, der Nagual Elias, der damals noch auf Erden weilte, pflegten bei ihnen allen den Montagepunkt über eine gewisse Grenze hinaus nach unten zu verschieben und sie dann sich selbst zu überlassen.
»Ich habe dir einmal erzählt, daß der Nagual Julian uns empfahl, unsere sexuelle Energie nicht zu vergeuden«, fuhr Genaro fort. »Um den Montagepunkt zu verschieben, meinte er, braucht man Energie. Wenn man sie nicht hat, ist der Nagualschlag kein Schlag der Freiheit, sondern der Todesstreich.«
»Ohne genügend Energie«, sagte Don Juan, »ist die Kraft der Ausrichtung vernichtend. Man braucht Energie, um dem Druck jener Ausrichtungen
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