Das Filmbett
dem Ende
weitergeht, so seien hier noch einige Zeilen angefügt.
Es begann mit einem formidablen
Schnupfen unseres Paares, den sie sich gegenseitig kurieren mußten. Sie blieb
bei ihm, solange ihre Ferien dauerten. Dann trennten sie sich, er fuhr nach
Berlin, sie ins Engagement. Sie kam zu ihm zu Besuch, und er kam zu den
Tanzabenden ihres Theaters, besonders wenn sie erst mit kleinen, dann mit
größeren Soloaufgaben betraut worden war. Sie stritten sich und versöhnten
sich, sie gingen eigene Wege, machten andere, neue Erfahrungen und kamen wieder
zusammen. Als Deutschland erwachte zu einer zwölfjährigen Nacht, war er in
England und holte sie über den Kanal. Sie wollte nicht tanzen und im gleichen
Schritt und Tritt marschieren. Dann zogen sie nach Amerika, und eines Tages
heirateten sie. Schneewittchen hatte ihren Prinzen.
Er veröffentlichte sein Buch »Fug
und Unfug des Tanzes«, das gut besprochen, aber wenig gelesen wurde, und
schrieb an einigen erfolgreichen Filmen mit, die viel gesehen, aber schlecht
kritisiert wurden. Blanche arbeitete mit Martha Graham und Agnes de Mille und
vieles, was an deren Schöpfungen als Einflüsse des »German Dance« galten,
stammte von ihr. Als sich eine kleine Christine einstellte, waren die ersten
drei Buchstaben des Alphabetes komplett, und sie nannten sich das große ABC.
Nach dem Krieg kamen sie nach
Deutschland zurück. Die Tante war in der berüchtigten Bombennacht als Opfer
einer überraschenden alliierten Bomberstrategie mit Flächenwürfen völlig neuen
Dessins ums Leben gekommen. »Unner inserm Großherzog hätt’s des net gewe«,
sollen ihre letzten Worte gewesen sein. Darmstadt und das Theater waren
zerstört. Aber die Vernichtung, so grauenhaft sie war, erschreckte sie weniger
als das nackte, hektische Erfolgs- und Leistungsstreben des westdeutschen
Rumpfstaates. Sie gingen, einer sentimentalen Regung folgend, nach Ascona, das
sie kaum mehr wiedererkannten, so sehr war der Bauboom der ersten
Angriffswellen des Massentourismus über das Fischerdorf hinweggerast. Ihr
Gasthof war eine Nobelherberge geworden und die wenigen Tänzerinnen in dem
Gewimmel von lauten rheinischen Nachfolgepreußen hörten nun auf die seltsamen
Namen Elke, Silke, Wibke und Ute, Gerlinde und Gerhilde und waren im besten
Falle vom Hamburger Fernsehballett. Trotzdem blieben sie, bauten sich im
Gegensatz zu den protzigen Managervillen ein kleines hübsches Haus und, da sie
nicht gestorben sind, leben sie noch heute.
EPILOG
Drei Briefe
aus den Jahren 1971, 1972 und 1973
CONSTANTA FILM VERLEIH und
PRODUKTIONSGESELLSCHAFT MÜNCHEN
Zentrale
Abt. Produktion und Dramaturgie
Tel.:•••
Telex:•••
Telegrammadresse: CONFILM
betr.: Die wilden Mädchen von
Ascona
München, 17. Mai 1971
Sehr geehrter Herr Rabenalt,
wir haben ausführlich Ihre Geschichte von Ascona geprüft und können nicht
verhehlen, daß wir recht enttäuscht sind. Sie haben uns eine erotische Story
versprochen, doch finden wir auch nach zweimaligem Lesen nur unbedeutende
Spuren von Erotik in derselben, geschweige denn von Sex. Die Handlung ist ohne
Aktion, die psychologische Zeichnung der jungen Tänzerin gänzlich mißglückt.
Und vor allem, warum reden Sie um die Sachen so herum, das ist doch völlig
altmodisch. Sie gebrauchen keinerlei Four-letter-words, ohne die schon die
moderne Literatur nicht auskommt, geschweige denn der Film. Sie sprechen
umschreibend von Knospen und Schwellungen, von Mädchendreieck etc., was doch
ein rechter Käse ist, wo die deutsche Sprache so kräftige Worte wie **), **)
und **) besitzt, die die Dinge direkt bezeichnen und die man heutzutage gerne
hört. Mit Titten und Scheiße locken sie doch heute keinen Hund mehr vom Ofen
hervor, bzw. keinen Besucher ins Kino. Und warum schreiben Sie so geschwollen,
Sie sind doch kein Thomas Mann.
Und warum ist das Mädchen
eigentlich Jungfrau? Es wäre doch viel besser, sie wäre ein flotter Feger, der
nicht genug kriegen kann. Daß sie unter ihrem Busen leidet, ist vom heutigen
Standpunkt aus völlig verfehlt. Umgekehrt wäre es besser, daß sie nämlich darunter
leidet, zu wenig zu haben — aber das wäre wieder optisch zu unergiebig.
Natürlich könnte man einige Situationen filmgerechter aufbereiten, z. B. wenn
die Tänzerin eingangs nicht nur ihr Gesicht waschen würde, sondern nackt in der
Badewanne säße, wenn der Hausdiener mit dem Gepäck kommt, oder daß die
Bildhauerin sie richtiggehend vernascht etc. Daß Ihre Situationen
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