Das Finale
nickte.
Georgs sicheres Auftreten und die Arzttasche ließen keinen Zweifel daran, dass
Georg Mediziner war. Ein noch so gut ausgebildeter Laie hätte nicht so
gehandelt.
»In welchem
Zusammenhang könnte der Mann mit der Organisation stehen?«, bohrte der
Kriminaloberrat weiter.
»Ich weiß es nicht«,
antwortete Frauke. Und das war ehrlich.
»Finden Sie nicht
auch, dass das Ganze sehr mysteriös ist?« Ehlers musterte sie über den Rand
seiner Brille hinweg nachdenklich.
»Ja«, gab sie zu.
Auch das war ehrlich.
»Wie wollen Sie
weiter vorgehen?«
»Ich warte auf die
Spurenauswertung. Vielleicht finden wir einen Hinweis auf unseren Unbekannten.
Zur Fahndung würde ich ihn nicht ausschreiben wollen. Wenn er uns etwas
erzählen wollte, dann ist die Suche nach ihm unter Zuhilfenahme des ganzen
Apparats der falsche Weg. Wir würden damit unter Umständen Spuren legen, denen
auch die Organisation folgen könnte.«
»Ist das alles, was
Sie im Köcher haben?« Es klang eine Spur enttäuscht.
»Nein«, sagte
Frauke, und zum ersten Mal gelang es ihr, ein wenig zu lächeln. »Wir müssen
herausfinden, wem das Haus gehört und in welchem Zusammenhang dieser Mann mit
den Eigentümern steht. Er schien mir mit den Örtlichkeiten vertraut.«
»Können Sie das
näher erläutern?«, fragte Ehlers misstrauisch dazwischen.
»Das war mein
Eindruck, als er die Tür öffnete und mich ins Haus bat.«
Ehlers warf einen
kurzen Blick auf die Notiz vor sich. »Der erste Bericht der Spurensicherung
besagt aber, dass sich in dem Haus nicht ein einziger persönlicher Gegenstand
befand. Finden Sie das nicht auch ungewöhnlich?«
»Ja«, gestand Frauke
ein. »Immerhin befanden sich Toilettenartikel im Bad. Daraus schließe ich, dass
der Mann dort übernachtet hat. Das lässt auch der Inhalt des Kühlschranks
vermuten.«
»Na schön«, sagte
Ehlers, und es klang eine Spur versöhnlicher. »Ich möchte über alle Schritte
informiert werden. Und weitere Alleingänge werde ich nicht mehr akzeptieren.
Betrachten Sie es als förmliche Ermahnung.«
Frauke versuchte,
ihre Erleichterung zu verbergen. Es war eine missliche Situation, in die sie
hineingeraten war.
Als sie auf dem Flur
Putensenf begegnete und der Kriminalhauptmeister sie prüfend ansah, hatte sie
sich so weit gefangen, dass sie ihn anfuhr: »Gibt es schon Ergebnisse? Oder
muss man sich um alles selbst kümmern?«
Putensenf schien für
einen Moment verwirrt. »Ich kümmere mich um die Spurensicherung«, versicherte
er. »Ich bin in zehn Minuten bei Ihnen.«
In ihrem Büro
meldete sich Frauke an ihrem Computer an. Die unendlich erscheinende Zeit, bis
das System hochgefahren war, nutzte sie, um noch einmal über das Gespräch mit
Ehlers nachzudenken. Der Kriminaloberrat war erstaunlich gut informiert
gewesen. Irgendjemand musste ihn mit Details gespickt haben. Zu gern hätte
Frauke gewusst, von welchem Zettel Ehlers abgelesen hatte und wer ihm diese
Informationen hatte zukommen lassen. Seit ihrer Ankunft in Hannover fühlte sie
sich beobachtet. Es fiel ihr schwer, jemanden ins Vertrauen zu ziehen. Ihr
Vorgesetzter war sicher loyal, davon war Frauke überzeugt, aber Ehlers musste
alle Aspekte in Betracht ziehen und auch ihre Vorgehensweise kritisch
hinterfragen. Hier in Hannover misstraute anscheinend jeder jedem. Mit einem
Hauch von Wehmut dachte sie an Flensburg, an Schleswig-Holstein und an
Kriminalrat Lüder Lüders, selbst an die beiden Husumer Christoph Johannes und
Große Jäger. Freunde waren sie nie geworden, aber Frauke hatte diesen Leuten
bedingungslos vertrauen können. Das fehlte ihr hier.
Sie griff zum
Telefon und bestellte Nathan Madsack zu sich ins Büro. Natürlich hätte sie auch
die wenigen Schritte bis zu ihm gehen können, aber mit dieser Geste unterstrich
sie, wer in dieser Ermittlungsgruppe das Sagen hatte.
Der schwergewichtige
Hauptkommissar erschien wenig später und nahm ächzend Platz.
»Was haben Sie über
das Haus in Erfahrung bringen können?«
Madsack musste keine
Notizen zurate ziehen, als er antwortete.
»Das Anwesen gehört
Dr. Eigelstein. Das ist ein in Hannover angesehener Rechtsanwalt, Senior
der Kanzlei Dr. Eigelstein, Knappe und Collegen in der Georgstraße.«
»Der Name ist uns
doch bekannt«, überlegte Frauke. »Das ist der Anwalt von Stupinowitsch, dem
weißrussischen Bordellbesitzer.« Sie maß Madsack mit einem abschätzigen Blick.
»Hatten Sie mir nicht versichert, dass es sich um eine angesehene Kanzlei
handeln würde? Wie
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