Haie an Bord
Inhaltsangabe
Vor der Piratenküste, jenem Teil der arabischen Halbinsel, wo noch heute, trotz Erdölfunden und Dollarsegen, ein Stück echten, grausamen Orients übriggeblieben ist, wird das Luxusschiff ›Fidelitas‹ mit vierhundert reichen Weltenbummlern an Bord von vier eleganten, schwarzgelockten, aber mit Maschinenpistolen und Bomben bewaffneten ›Herren‹ in ihren Besitz gebracht. Besonders die schmuckbeladenen Damen, die sich um die Gunst der vier charmantesten Herren rissen, erleben, daß aus den ›schwarzen Panthern‹ gnadenlose Haie werden.
Die ›Fidelitas‹ liegt gestoppt vor der Küste. In dieser Nacht steuert ein großer Kahn aus einer Bucht auf das ruhig liegende Schiff zu. Zehn vermummte Gestalten klettern an Bord und kapern die ›Fidelitas‹. Sie sind Angehörige einer arabischen Minderheit, eines Volksstammes, der die Weltöffentlichkeit auf sich aufmerksam machen will. Und die Welt reagiert mit einem Aufschrei, mit Entsetzen – und Tatenlosigkeit. Mit Geiseln, darunter eine Frau, denen sich der alte Schiffarzt Dr. Bender freiwillig anschließt, verlassen die Araber das Schiff. Fünf Menschen, deren Leben auf dem Spiel steht, wenn die Welt sich nicht um die kleine Minderheit in Oman kümmern sollte. Aber sind die fünf Menschen einen weltweiten Konflikt wert?
In dieser Nacht beginnt für sie eine furchtbare Leidenszeit. Während einer wochenlangen Flucht durch die Wüste von Oman werden sie am Tage von höllischer Glut, in der Nacht von eisiger Kälte gefoltert. Sie überwinden Hunderte von Kilometern, angetrieben von Angst und Hoffnung, gepeinigt von Schmerzen und Durst, getragen von Liebe und Kameradschaft, gepeitscht von Feindschaft und getäuschter Freundschaft, am Rande der Erschöpfung. Es wird offenbar, wo menschliche Größe und wo hinterhältiger Egoismus herrscht in einer Welt von Ausgestoßenen, die ihre eigenen Gesetze hat. Nicht alle überstehen diese Zeit der Qualen, die zugleich auch die Herzen prüft. Was aber Freundschaft bedeutet, was echte Menschlichkeit und ärztliches Berufsethos ausrichten – das schildert in so mitreißender Spannung nur ein Schriftsteller wie Konsalik.
Gott hat die Wüste wie eine Frau gemacht – man muß sie erobern und lieben.
Arabisches Sprichwort
Da lag das Schiff.
Dicke Stahltrossen hielten es am Pier fest, zwei Gangways verbanden es mit dem Land, das schmutzige, ölige, stinkende Hafenwasser klatschte träge gegen die Bordwand. Ein weißlackierter Riesenkasten aus Stahl und Glas mit einem breiten, leuchtendroten Schornstein, an Bug und Heck den Namen ›Fidelitas‹ in vergoldeten Buchstaben und langen Girlanden aus bunten Fähnchen, die man kreuz und quer über das Schiff gespannt hatte.
Dr. Bert Wolff sah an der hohen Bordwand empor und schob die weiße Mütze etwas in den Nacken. Der Mann neben ihm, in einer weißen Uniform mit zwei goldenen Ärmelstreifen, räusperte sich und wischte sich mit einem großen Taschentuch über das Gesicht. Es war ein heißer Morgen. Grell hing die Sonne im fahlblauen Himmel. Der leichte Wind, der vom Meer zum Land strich, kühlte nicht, sondern trieb feuchte Hitze vor sich her. Der Lärm des Industriehafens klang nur gedämpft herüber … hier, an Pier III, schlief der Tag noch. Die Stille war geradezu vornehm und vielleicht sogar im Fahrpreis einkalkuliert.
»Reißen Sie sich los, junger Kollege«, sagte Dr. Bender laut. »Wie lange fahren Sie auf See?«
»Seit drei Jahren.« Dr. Wolff steckte die Hände in die Taschen seiner weißen Tropenuniform. »Ein imponierender Kasten, diese ›Fidelitas‹. Meine ›Eleonore‹ war nur die Hälfte. Ich freue mich, hierher versetzt zu sein.«
»Das sagen sie alle, die diesen Saukahn zum erstenmal so ansehen wie jetzt Sie. Wenn sie vor ihm stehen, die Bullaugen zählen und sich blenden lassen. Alles nur Lack, mein Bester. Weißer Lack, roter Lack, schwarzer Lack, Fähnchen und Wimpelchen, und darunter frißt der Rost weiter. Wissen Sie, daß wir auf dem Kahn nicht eine einzige Ratte haben? Das hat mit Hygiene nichts zu tun … die Tierchen, klüger als wir Menschen, sind sofort abgewandert, als sie das Miststück inspiziert hatten.«
»Warum so giftig, Dr. Bender?« fragte Dr. Wolff. Er lachte, hakte sich bei seinem Kollegen unter und schob mit dem Zeigefinger die Mütze vollends in den Nacken. »Sie haben es immerhin über zwanzig Jahre auf dem Kahn ausgehalten.«
»Genau 33 Jahre, mein Lieber.« Dr. Bender nahm seine Mütze ab. Sein weißes Haar, in
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