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Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal

Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal

Titel: Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Willmann
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Tals. Langsam, mit furchtsamer Faszination, mit ungläubigem Widerwillen liefen sie zusammen. Manche hielten in ihren Händen Knüppel, Heugabeln oder Äxte. Sie mussten sich schon vorher bewaffnet haben, vielleicht weil sie irgendeine Art von Vergeltung fürchteten. Vielleicht weil sie schon auf das lauerten, was folgte. Nach und nach wurden unter ihnen die ersten Rufe laut. Die Vordersten erkannten, bestätigten, was da in einem fadenscheinigen Leichentuch auf der Erde lag. Und immer mehr und immer näher strömten sie, aus allen Richtungen des Dorfs.
    Was mit dem heiligen Schweigen einer Prozession begonnen hatte, steigerte sich mehr und mehr in das hysterischeGekreisch eines Jahrmarkts. Die Ersten hatten den Brenner erreicht und gewagt, seinen toten Körper anzustupsen, ihm einen vorsichtigen, prüfenden Tritt zu versetzen. Auf ihn zu spucken.
    Nun drangen auch aus der Gasse, in die Greider hineinritt, Leute. Doch die Menschen schienen ihn gar nicht wahrzunehmen, ihr Strom teilte sich vor ihm wie von selbst und lief hinter ihm genauso natürlich wieder zusammen.
    Auf dem Platz herrschte inzwischen großes Gedränge. Noch bildete sich ein kleiner Hof des Respekts um den Toten, und nur vereinzelt wagte es einer, dessen unsichtbare Umzäunung zu überwinden und den Körper zu berühren. Doch der Bannkreis wurde enger, die Berührungen zorniger. Und mit jeder von ihnen schwoll das Geschrei der Menge an.
    Greider ritt aus dem Dorf, bevor er sehen konnte, was mit der Leiche des Brenner geschah.

XIX
    Die Arbeit an dem Bild ging langsam voran. Das lag daran, dass Greider für die verbleibenden Figuren keine so genauen Studien mehr hatte und viel aus dem Gedächtnis malen musste. Aber noch mehr lag es daran, dass ihm jede Dringlichkeit aus dieser Arbeit gewichen schien.
    Was immer ihn einst bewogen hatte, dieses Gemälde zu beginnen, es war nicht mehr da. Das Bild schien ihm überflüssig geworden, schien dem Geschehenen weder etwas hinzufügen noch es wirklich fassen zu können. Was ihn nun noch trieb, war lediglich das Gefühl, die Leinwand nicht zur Hälfte ungefüllt lassen zu können. Doch sein Malen war mechanisch geworden, war eine Ausübung bloßer Technik. Er sah in den Gesichtern nichts. Er erkannte diese Menschen nicht mehr.
    Wenn Greider dennoch über viele Tage fleißig in seiner Stube vor der Staffelei saß, solange das Tageslicht es erlaubte, dann hatte das auch den Grund, dass er nicht viel anderes zu tun hatte.
    Er lebte jetzt allein im Haus der Gaderin. Luzi war ohnehin bei ihrem Lukas eingezogen. Solange noch der Winter herrschte, konnten sie an ihrem neuen Heim doch noch nicht all die Arbeiten machen, die ihnen vorschwebten, um es wieder in einen richtigen, kleinen Hof zu verwandeln. Die Gaderin aber, hieß es, hätte sich in jener Nacht bei Lukas’ Familie so wohlgefühlt, mit den Leuten gleich eine so innige Freundschaft geschlossen, dass man auch sie mit Freuden dort aufnahm. Unausgesprochen blieb, dass man nicht mehr mit Greider unter einem Dach leben wollte, mit dem Fremden, der er jetzt wieder vollends geworden war. Doch Greider verstand es auch so.
    Freilich kam Luzi ihn öfters zusammen mit ihrem Mann und ihrer Mutter besuchen. Aber die Herzlichkeit, das Fröhliche dieser Besuche traf immer wieder auf Momente, wo es plötzlich schal und erzwungen wirkte, wo das Geplauder auf ungute Pausen auflief und auf einmal keiner so recht wusste, wohin mit den Händen. Wo man sich räusperte und schnell von etwas anderem plapperte, um die vielsagende Stille zu übertönen. Luzi war bei diesen Gelegenheiten kein einziges Mal mit Greider allein in einem Raum.
    Und doch blieben diese Besuche nie zu lange aus. Nicht nur, weil es trotz allem eine echte und große Dankbarkeit gegenüber Greider gab. Sondern auch, weil sie ein willkommener Vorwand waren, Greider mit allem Nötigen zu versorgen, ohne dass er sich dafür hätte ins Dorf begeben müssen. Greider tat so, als wisse er nicht nur zu gut, dass man in Wahrheit damit nicht bloß ihm die Besorgungsgänge ersparte – sondern vor allem dem Dorf einen Besuch vonihm. Und so begnügte er sich mit seinem kleinen Reich und seiner unwichtig gewordenen Arbeit und ließ seine Wunden heilen.
    Greider war stärker als je zuvor zum Fremdkörper in diesem Tal geworden. Ja, er hatte ihm eine neue Zeit gebracht. Aber Erlöser, die sich nicht aufheben und entschwinden, werden zur Peinlichkeit. Nicht nur war er für viele insgeheim bloß der Zerstörer einer Ordnung, die

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