Das Flammende Kreuz
Zeigefinger aus und zeichnete den Weg eines gelblichen Tröpfchens nach. Besser gesagt zweier Tropfen.
»Sieh dir das an! Sie hat versucht, mich durch das Glas zu beißen! Das ist vielleicht eine wütende Schlange; ich glaube, sie hält nicht viel von dieser Idee.«
So war es. Die Schlange hatte sich wieder zusammengerollt, und ihre winzigen Klappern rasselten in feindseliger Rage.
»Nun, das macht nichts«, sagte ich und trat neben sie. »Ich bin mir sicher, dass Jamie auch nicht viel von dieser Idee halten würde. Er ist im Augenblick nicht gut auf Schlangen zu sprechen.«
»Mmpfm.« Sie starrte die kleine Schlange immer noch an, und ein leichtes Stirnrunzeln verzog ihre dichten, roten Augenbrauen. »Hat Kezzie dir gesagt, woher er sie hat?«
»Ich bin nicht auf die Idee gekommen, ihn danach zu fragen. Warum?«
»Draußen wird es langsam kalt - Schlangen halten doch Winterschlaf, oder? In Nestern?«
»Nun, laut Mr. Brickell ja«, erwiderte ich ausgesprochen skeptisch. Die Naturgeschichte North Carolinas des guten Doktors war zwar eine unterhaltsame Lektüre, doch ich war so frei, an einigen seiner Beobachtungen zu
zweifeln, vor allem dann, wenn es um Schlangen und Krokodile ging, von deren Fähigkeiten er doch eine reichlich übertriebene Meinung zu haben schien.
Sie nickte, ohne den Blick von der Schlange abzuwenden.
»Die Sache ist so«, sagte sie in verträumtem Ton, »Giftschlangen sind fantastisch konstruiert. Ihre Kieferknochen sind nicht miteinander verbunden, so dass sie Beutetiere verschlingen können, die größer sind als sie selbst - und ihre Zähne klappen sich in ihren Gaumen ein, wenn sie nicht gebraucht werden.«
»Und?«, sagte ich und warf ihr einen etwas unterkühlten Blick zu, den sie jedoch ignorierte.
»Die Giftzähne sind hohl«, sagte sie und berührte das Glas mit dem Finger, genau über der Stelle, an der das Gift in den Leinenstoff gesickert war und einen kleinen, gelblichen Fleck hinterlassen hatte. »Sie sind mit einem Giftbeutel in der Wange des Tiers verbunden, und wenn sie zubeißen, pressen die Wangenmuskeln das Gift aus dem Beutel... und durch den Giftzahn hindurch in die Beute hinein. Genau wie bei einer -«
»Ach du lieber Himmel«, sagte ich.
Sie nickte und wandte endlich den Blick von der Schlange ab, um mich anzusehen.
»Ich hatte schon mit dem Gedanken gespielt, es mit einem angespitzten Federkiel zu versuchen, aber das hier würde viel besser funktionieren - es ist schließlich genau dafür gebaut.«
»Ich verstehe«, sagte ich und empfand eine leichte Welle der Hoffnung. »Aber du brauchst eine Art Tank...«
»Zuerst brauche ich eine größere Schlange«, sagte sie praktisch denkend und wandte sich zur Tür. »Lass mich Jo oder Kezzie suchen und sie fragen, ob dieses Tier tatsächlich aus einem Nest stammt - und wenn ja, ob noch mehr davon da sind.«
Sie begab sich prompt auf die Suche und nahm das Glas mit. Ich blieb zurück und konnte mich jetzt meiner Betrachtung der Lage an der Antibiotikafront mit neuer Hoffnung zuwenden. Wenn ich die Lösung tatsächlich injizieren konnte, musste ich sie so weitgehend wie möglich filtern und reinigen.
Ich hätte die Lösung gern abgekocht, traute mich aber nicht; ich wusste nicht, ob rohes Penizillin durch hohe Temperaturen vernichtet oder außer Gefecht gesetzt wurde - wenn sie überhaupt noch rohes Penizillin enthielt. Die Hoffnung, die ich in Folge von Briannas Idee empfunden hatte, wurde ein wenig gedämpft. Es würde mir nicht helfen, einen Injektionsmechanismus zu haben, wenn ich nichts Brauchbares zum Injizieren hatte.
Ich schritt unruhig durch das Sprechzimmer und hob hier und dort einen Gegenstand auf, um ihn dann wieder hinzulegen.
Ich nahm mich zusammen, legte die Hand auf die Säge und schloss die Augen, um mir erneut die Bewegungen und Empfindungen ins Gedächtnis
zu rufen und das geradezu unirdische Trancegefühl heraufzubeschwören, das ich beim Erlegen des Büffels empfunden hatte.
Natürlich war diesmal Jamie derjenige, der dem Irdischen den Rücken gekehrt hatte. Nett von dir, ihm die Wahl zu lassen , dachte ich sarkastisch. Ich sehe allerdings , dass du nicht vorhast, es ihm leicht zu machen .
Aber darum hätte er auch nie gebeten. Ich öffnete erschrocken die Augen. Ich hatte keine Ahnung, ob diese Antwort aus meinem eigenen Unterbewussten oder anderswo her kam - doch sie war in meinem Kopf, und ich musste mir eingestehen, dass sie der Wahrheit entsprach.
Jamie war es gewohnt, seine Wahl zu
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