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Das Flammende Kreuz

Titel: Das Flammende Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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hatte auch ich schon mit angesehen, wie sich Kranke zum Sterben entschlossen - und ich kannte diesen Ausdruck, den sie manchmal trugen, die Augen auf irgendetwas in weiter Ferne gerichtet.
    Er zögerte und rang um Worte. Mir fiel etwas ein, und ich griff ihm hilfreich unter die Arme.
    »Ich habe einmal eine ältere Frau gekannt«, sagte ich. »Sie ist in dem Krankenhaus gestorben, in dem ich gearbeitet habe - all ihre erwachsenen Kinder waren bei ihr, es war sehr friedvoll.« Ich senkte meinen Blick und heftete ihn auf seine Finger, die noch rot und leicht geschwollen waren, verflochten mit den meinen, die fleckig und blutig waren.
    »Sie ist gestorben - sie war tot; ich konnte sehen, dass ihr Puls nicht mehr schlug und sie nicht mehr atmete. All ihre Kinder saßen weinend an ihrem
Bett. Und dann hat sie ganz plötzlich die Augen geöffnet. Sie hatte sie nicht auf einen der Anwesenden gerichtet, aber irgendetwas hat sie gesehen. Und dann hat sie ganz deutlich >Oooh!< gesagt. Einfach so - begeistert, wie ein kleines Mädchen, das gerade etwas Wundervolles gesehen hat. Und dann hat sie die Augen wieder geschlossen.« Ich blickte zu ihm auf und kämpfte mit den Tränen. »Ist es - so gewesen?«
    Er nickte sprachlos, und seine Hand schloss sich fester um die meine.
    »So ähnlich«, flüsterte er.
    Er hatte sich in einem seltsamen Schwebezustand befunden, an einem Ort, den er unmöglich beschreiben konnte. Er hatte sich vollkommen friedvoll gefühlt - und sehr klarsichtig.
    »Es war, als hätte ich eine ─ eigentlich war es keine Tür, aber auf jeden Fall ein Durchgang - vor mir. Und ich konnte hindurchgehen, wenn ich wollte. Und ich wollte es«, sagte er mit einem Seitenblick auf mich und einem schüchternen Lächeln.
    Ihm war auch bewusst gewesen, was sich hinter ihm befand, und dann war ihm klar geworden, dass er jetzt in dieser Sekunde die Wahl hatte. Weiterzugehen - oder umzukehren.
    »War das der Moment, in dem du mich gebeten hast, dich zu berühren?«
    »Ich wusste, dass du das Einzige warst, was mich zurückholen konnte«, sagte er schlicht. »Ich selbst hatte nicht die Kraft dazu.«
    Ich hatte einen großen Kloß im Hals; ich konnte nichts sagen, drückte ihm aber fest die Hand.
    »Warum?«, fragte ich schließlich. »Warum hast du... dich entschlossen zu bleiben?« Meine Kehle war immer noch zugeschnürt und meine Stimme heiser. Er hörte es und schloss seine Hand fester um die meine; ein Schatten seines normalen, festen Griffes, und doch lag die Erinnerung an seine Kraft darin.
    »Weil du mich brauchst«, sagte er ganz leise.
    »Nicht, weil du mich liebst?«
    Da blickte er auf und lächelte schwach.
    »Sassenach... ich liebe dich und werde dich immer lieben. Ob ich tot bin - oder du -, ob wir zusammen sind oder getrennt. Du weißt, dass es so ist«, sagte er leise und berührte mein Gesicht. »Ich weiß, dass es bei dir so ist, und du weißt genauso, dass es bei mir so ist.«
    Er senkte den Kopf, und sein leuchtendes Haar fiel ihm über die Wange.
    »Ich habe nicht nur dich gemeint, Sassenach. Ich habe noch viel zu tun. Ich dachte - im ersten Moment -, dass es vielleicht gar nicht so ist; dass ihr alle zurechtkommt, mit Roger Mac und dem alten Arch, mit Joseph und den Beardsleys. Aber es ist ein Krieg im Verzug, und - zur Strafe für meine Sünden -«, er verzog leicht das Gesicht, »ich bin ein Anführer.«
    In sein Schicksal ergeben, schüttelte er sacht den Kopf.
    »Gott hat mich zu dem gemacht, was ich bin. Er hat mir diese Pflicht auferlegt - und ich muss sie tun, koste es, was es wolle.«

    »Was es wolle«, wiederholte ich beklommen, denn ich hörte noch etwas Härteres als Resignation in seiner Stimme. Er sah mich an, dann blickte er beinahe beiläufig zum Fußende des Bettes.
    »Mein Bein ist zwar nicht viel schlimmer geworden«, sagte er ungerührt, »aber es hat sich auch nicht gebessert. Ich glaube, du musst es mir abnehmen.«
     
    Ich saß in meinem Sprechzimmer, starrte aus dem Fenster und versuchte, mir eine andere Möglichkeit auszudenken. Es musste doch etwas anderes geben, was ich tun konnte. Es musste einfach.
    Er hatte Recht; die roten Streifen waren noch da. Sie hatten sich zwar nicht weiter ausgedehnt, doch sie waren nach wie vor an Ort und Stelle, hässlich und bedrohlich. Die oralen und lokalen Penizillingaben hatten zwar offensichtlich eine Wirkung auf die Entzündung gehabt, aber nicht genug. Die Maden wurden wunderbar mit den kleinen Abszessen fertig, konnten aber der Ausbreitung

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